Zum Inhalt springen
< Nylon - ein Werkstoff für Schutzbrillen und Visiere?

Drohnenabwehr

MikroKopter MK8-3500 von HiSystems

Im November 2016 stellte die Deutsche Telekom ausgewählten Partnern und Kunden im Rahmen einer Fachveranstaltung ihr „Magenta Drohnenschutzschild“ vor.  Ein simulierter Drohnen-Angriff sowie dessen Detektion und Abwehr innerhalb des Tagungsraumes war der Höhepunkt der anschließenden Produktvorstellung. 

 

POLIZEIPRAXIS hat mit den beiden Projektverantwortlichen über die neue Bedrohungslage und die Lösung der Deutschen Telekom gesprochen.
 
 POLIZEIPRAXIS: „Herr Backofen, Sie haben das Magenta Drohnenschutzschild und jene Organisations-Einheit, in der diese Lösung entwickelt wurde, die T-SEC, vorgestellt. Was verbirgt sich hinter der T-SEC?“
 Dirk Backofen: „Die Deutsche Telekom führt in der Telekom Security (kurz T-SEC) Sicherheits-Ressourcen aus allen Bereichen aus dem In- und Ausland zusammen. Wir wollen auf allen Ebenen Menschen,  Erfahrungen, Produkte und Prozesse konzernweit bündeln. Allein die weltweit über 180 Frühwarnsysteme des Konzerns registrieren jeden Tag vier bis sechs Millionen Angriffe. In der Konsequenz werden wir rund um die Uhr für unsere Kunden mit neuen Produkten und Services schlauer, schneller und besser sein als die Angreifer.“
 
 PP: „Warum hat die Telekom das Magenta Drohnenschutzschild entwickelt?“
 DB: „Die Telekom ist als zertifizierter Sicherheits-Errichter für Einbruch- und Brandmelde sowie für Videotechnik mit eigenen Kräften seit Jahren sehr erfolgreich tätig. In den regelmäßigen Gesprächen mit unseren Kunden bitten wir diese uns ihre Bedrohungslagen zu erläutern, um uns auf frühzeitig darauf einstellen zu können. Seit Ende 2015 berichten uns immer mehr Kunden von unerlaubten Drohnen-Anflügen, die zum Teil für die Betroffenen sehr unangenehme Auswirkungen hatten. In einem Fall ging ein Unternehmen aufgrund erfolgreicher Industriespionage durch Drohnen sogar insolvent. Für uns war spätestens zu diesem Zeitpunkt klar, dass wir uns mit der neuen Bedrohung ernsthaft auseinandersetzen müssen.“
 
 PP : „Herr Piendl, Sie sind bei Behörden als Sachverständiger für Sicherheitstechnik im In- und Ausland gut bekannt. Auf welcher Grundlage entstand das Konzept des  Drohnenschutzschildes?“
 
 Markus Piendl: „Wir haben uns zunächst einen Überblick über bekannte Drohnenangriffe in der Privatwirtschaft sowie im polizeilichen und militärischen Umfeld verschafft. Viele nationale und internationale Firmen und Behörden  unterstützten uns durch die Schilderung ihnen bekannter Vorfälle. Die Bandbreite war enorm. Die zum Teil sehr ausführlich geplanten und professionell ausgeführten Angriffe bezogen sich auf kritische Infrastrukturen, die Verletzung der Privatsphäre, Sabotage, Wirtschaftsspionage sowie Erpressungsfälle.“
 
 PP: „Welche Schlußforderungen haben Sie aus Ihren Recherchen gezogen ?“
 MP: „Die zum Teil sehr plakativen Hochglanz-Broschüren und technisch wenig aussagekräftigen Webseiten vieler Anbieter haben uns sehr neugierig gemacht. Die Frage war, wie sich der versprochene Funktionsumfang unter realen Bedingungen erweisen würde. Wir haben uns entschieden, dass wir zusammen mit einem professionellen Drohnen-Dienstleister jede uns bekannte Form eines Drohnen-Angriffs im Detail selbst nachstellen müssen. Nur so konnten wir mit gutem Gewissen entscheiden, welcher Anbieter einer Drohen-Detektions bzw. Drohen-Abwehr Lösung in der Lage ist, unsere hohen Anforderungen zu erfüllen.“
 
 PP: „Die Tests der Telekom haben bei verschiedenen Behörden für großes Interesse gesorgt. Wie viele Testläufe mit wie vielen Anbietern haben Sie durchgeführt ?“
 MP: „Wir haben insgesamt drei große Testläufe mit über 20 nationalen und internationalen Anbietern absolviert. Unser erster Versuch fand in urbanem Umfeld statt. Das Szenario war die Absicherung eines Rechenzentrums. Die beiden anderen Testläufe wurden am Tannheimer Flugplatz durchgeführt; dort konnten wir die Absicherung von Gebäudekomplexen sowie des Flugfeldes bei gleichzeitig laufendem Flugbetrieb realistisch nachstellen. Wichtig war für uns, dass wir durch die Drohenanflüge alle Anbieter simultan den gleichen Rahmenbedingungen aussetzen konnten. Kein Anbieter wußte wann wie viele Drohnen aus welchen Richtungen und mit welcher Absicht angreifen würden. Ein fairer Vergleich der Anbieter war möglich.“
 
 PP: „Wie haben die Anbietern auf diese Bedingungen reagiert ?“
 MP: „Bis auf wenige Ausnahmen haben alle Anbieter die Teilnahme sofort zugesagt. Vor Ort befand sich pro Anbieter einer unser Kollegen, der die Ergebnisse im Detail protokollierte.“
 
 PP: „Welche Erfahrungswerte konnten Sie aus den ersten beiden Testversuchen gewinnen ?“
 MP: „Nach diesen beiden ersten Testläufen waren wir von keinem Anbieter im Bereich der Drohnen-Detektion komplett überzeugt. Entweder wurden Drohnen als Vögel erkannt, Regentropfen nicht gefiltert, es lag keine beweissichere Dokumentation vor, ein konkretes Luftlagebild bzw. eine Offline-Funktionalität der Sensoren war nicht gegeben, die Fusion von Sensor-Daten war aufgrund verschiedener Protokolle nicht möglich usw.“
 
 PP: „Wie gestalteten sich die Tests jener Anbieter, die Drohnen-Abwehrmaßnahmen präsentierten ?“
 MP: „Zu unserer positiven Überraschung konnten alle Anbieter die gestellten Anforderungen im Bereich des Jammings erfüllen. Bei den Reichweiten mußten teilweise Abstriche gemacht werden. Die elektronischen Störmaßnahmen, die wir im Beisein der Bundesnetzagentur testen konnten, betrafen die Fernsteuer-Technik sowie die Satellitennavigation.“
 
 PP: „Haben Sie auch Anbieter getestet, die Spoofing bzw. Hijacking Funktionalitäten anbieten?“
 MP: „Ja, diese Tests brachten aber nicht das gewünschte Ergebnis. Die Wunschvorstellung vieler Kunden, eine erfolgreich detektierte Drohne elektronisch sicher zu übernehmen bzw. so zu manipulieren, dass diese noch in der Luft unschädlich gemacht werden kann, lies sich nicht umsetzen.“ 
 
 PP: „Im Endeffekt wußten Sie Mitte des vergangenen Jahres also, dass eine Drohnen-Abwehr technisch möglich ist - bei der Drohnen-Detektion stießen Sie aber an Grenzen. Aus fachlicher Sicht kann es keine Abwehr ohne Detektion geben – wie gingen Sie mit dieser Herausforderung um ?“
 MP: „Wir haben mit allen Anbietern der Detektions-Lösungen eine ausführliche Nachbesprechung durchgeführt. Dabei wurden unsere detaillierten Weiterentwicklungsforderungen erläutert und ein Zeitfenster bis November 2016 gesetzt. Im November haben wir auf dem gleichen Flugplatz nochmals die Leistungsfähigkeit der Anbieter ausführlich getestet und überprüft, ob unsere Anforderungen erfolgreich umgesetzt wurden. Diese Tests wurden von unabhängigen Spezialisten ausführlich dokumentiert und positiv bewertet.“
 
 PP: „Herr Backofen wer waren bei dem zweiten Testlauf in Tannheim die Gewinner?“
 DB: „Wir haben uns nach dem zweiten Testdurchgang für die Firma Dedrone GmbH aus Kassel als federführenden Partner entschieden. Beeindruckt haben uns besonders die Hardware-Komponenten DroneTracker MultiSensor sowie der RF Scanner. Diese Hardware in Verbindung mit einer exzellenten Lagedarstellung hat uns in der neuen, aktuellen Software-Version von Dedrone überzeugt. Eine benutzerfreundliche, intuitive Management-Software bereitet Daten aus Sensoren verschiedener Hersteller zu einem komplexen Luftlagebild auf. Weitere Komponenten des Systems sind z.B. Radargeräte des holländischen Unternehmens Robin Radar, Frequenzscanner von Rohde & Schwarz aus München sowie  Hochleistungs-Mikrofone der Firma Squarehead aus Norwegen zur Audiodetektion.

Im Bereich der Drohnen-Abwehr arbeiten wir mit der Firma HP Wüst zusammen sofern die gesetzlichen Rahmenbedingungen á Projekt eine Drohnen-Abwehr zulassen. Eine Besonderheit unserer Lösung ist die frühzeitige Erkennung eines Piloten der den Start einer Drohe vorbereitet – bevor die Drohne startet, also im Moment des Abgleichs der Fernbedienung mit der eingeschalteten Drohne können wir den Standort des Piloten präzise bestimmen; so gewinnen unsere Kunden kostbare Zeit um eine Intervention zu starten. Wir bieten unseren Kunden mit dem Magenta Drohnenschutzschild einen Baukasten an, der nahezu alle momentan an uns herangetragenen Anforderungen im Rahmen einer professionellen Drohnen-Detektion und -Abwehr im Nah- und Fern-Bereich sowie für mobile Einsatz-Szenarien erfolgreich erfüllt.“
 
 PP: „Welche Dienstleistungen wird die Telekom neben der genannten Soft- und Hardware anbieten ?“
 DB: „Unsere Spezialisten werden neben einer herstellerneutralen Beratung, die Installation, Konfiguration, Inbetriebnahme sowie Service und Wartung sicherstellen. Kunden, die über keine eigene Leitstelle oder Sicherheitszentrale verfügen, werden wir anbieten, das Drohnenschutzschild bei uns oder unseren Partnern über eine sichere Cloud aufzuschalten. Kunden, die eine Anbindung an ihre lokalen Gefahren- bzw. Gebäude-Management-Systeme wünschen, werden wir mit Protokollschnittstellen sowie regelmäßigen Updates von neuen Drohnen-Signaturen unterstützen.“
 
 PP: „Können Sie uns einen Ausblick geben wo Sie den Markt für Drohnen-Detektion- und Abwehr in neun bis zwölf Monaten sehen ?“
 DB: „Der Schutz des unteren Luftraums, der mit klassischen Sicherheitslösungen nicht überwacht werden kann, wird zu einer Selbstverständlichkeit werden. Denken Sie an die sich veränderte Bedrohungslage im In- und Ausland: der Schutz kritischer Infrastrukturen, Fan-Veranstaltungen, Behörden, Industrie, Fußball-Arenen usw. nimmt an Bedeutung sehr stark zu. Wir als Telekom werden alles tun, um Sicherheit einfach zu machen. In diesen Überlegungen spielt das Magenta Drohnenschutzschild eine wichtige Rolle.“

 

Bild: HiSystems