Zum Inhalt springen
< P99 Q: Zuverlässigkeit · Sicherheit · Präzision

Eine Institution – Das Beschussamt Ulm

Bild: Beschussamt Ulm

Prüfzeichen Geweihstange

Bild: dreamstime

Bild: dreamstime

Bereits 1891 wurde mit der Regulierung des Beschusswesens in Deutschland die Grundlage für die ersten Beschussanstal­ten gelegt. Im Jahr 1952 schließlich wur­de das mittlerweile größte Beschussamt Deutschlands in Ulm-Jungingen gegründet, das dem Regierungspräsidium Tübingen angegliedert ist. Als Prüfzeichen wurde die Geweihstange des ehemaligen Beschuss­amtes Oberndorf übernommen, das nach seiner Gründung 1892 bis zum Kriegsende bestand. 

 

Das markante Gebäude beinhaltet über-und unterirdisch umfassende und mo­dernste Prüfeinrichtungen, mittels derer das Beschussamt in die Lage versetzt wird, na­hezu sämtliche denkbaren Typenprüfungen und Zulassungsverfahren durchzuführen. Hierzu stehen dem Beschussamt und sei­nen hochqualifizierten Fachleuten Labore, mehrere Schießkanäle und Messanlagen bis hin zu einem Freigelände für Böllerprü­fungen zur Verfügung. 

 

14 Mio. Waffen registriert 

Die umfassende technische Ausstattung er­möglicht es dem Beschussamt Ulm jährlich ca. 250.000 bis 300.000 Waffen zu prüfen. Hierzu unterhält das Beschussamt auch in verschiedenen Herstellerfirmen so genann­te Abfertigungsstellen, in denen die Waffen direkt in den Produktionsstätten geprüft werden können.

 

Die vorgeschriebene Kennzeichnung jeder einzelnen Waffe zur eindeutigen Identifizie­rung im Rahmen von Auslieferung, Zuord­nung und Rückführung ist Grund dafür, dass sich im Laufe der Jahre ein beein­druckender Datenbestand im Archiv des Beschussamtes Ulm aufgebaut hat. Heute können die Polizeibehörden bei Ermittlun­gen auf die Daten von ca. 14 Millionen Waf­fen zurückgreifen. Im Rahmen der Offensive der Bundesländer und des Bundes zur Mo­dernisierung der technischen Ausstattung ihrer Polizeibehörden, werden Richtlinien zur Erprobung und Begutachtung von Po­lizeiwaffen und neuer Polizeimunition so­wie Schutzmaterialien von der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) in Zusam­menarbeit mit allen Bundesländern heraus­gegeben. Das Beschussamt Ulm war auf­grund seiner fachlichen Kompetenz an der Erstellung dieser Richtlinien beteiligt und ist als Erprobungs- und Zertifizierungsstelle mit Zustimmung aller Innenminister der Länder explizit benannt.

 

Grundlage für die praktische Arbeit in Zu­sammenhang mit der Erprobung und Zer­tifizierung einer Pistole für den Polizeidienst stellen die Erprobungsrichtlinien (ER) zur Technischen Richtlinie (TR) des Polizei­technischen Instituts (PTI) der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) in Münster dar. Diese ER stehen als Ergänzung zur TR „Pistolen“ des PTI, in denen die Konstruk­tions- und Funktionsmerkmale für Neuent­wicklungen einer Standard-Polizeipistole festgelegt sind. Die in der ER festgelegten Prüfungen dienen dem Nachweis der tech­nischen Eignung. Dieser Nachweis ist an 5 Pistolen eines Pistolentyps zu erbringen.

 

Da an die Dienstwaffe eines Polizisten höchste Anforderungen hinsichtlich der Schützensicherheit gesetzt werden, sind die Prüfläufe entsprechend differenziert und umfangreich definiert. Neben den grund­sätzlichen Prüfungen hinsichtlich der Ein­haltung der vorgeschriebenen Werkstoffe, Masse, und Abmessungen haben die 5 Pis­tolen einen umfangreichen Test-Marathon zu durchlaufen. 

So werden in speziellen Klimaschränken Prüfungen bei hohen und tiefen Temperatu­ren, Funktionsfähigkeit bei Einflüssen durch Sand, Staub, Schlamm, Regen und Salz­wasser durchgeführt. 

 

Ein besonderes Highlight bei den Testungen des Beschussamtes aber sind die Fallprü­fungen. Es werden gemäß den genannten Höhen (1,3 m und 2,0 m) jeweils 6 Stan­dardfallversuche auf jeweils 5 verschiedene Untergründe durchgeführt, somit insge­samt 60 Stück. Des Weiteren hat der Prüfer die Möglichkeit nach Analyse des Siche­rungssystems weitere Fallprüfungen und Fallhöhen bis zur maximalen Fallhöhe von 2 m festzulegen. Dadurch erhöht sich die Anzahl der Fallprüfungen im Durchschnitt auf ca. 100 – 130 Stück. 

 

Zeit als kritischer Aspekt 

So ist es sicher nicht verwunderlich, dass der Prüfbericht schließlich einen Umfang von 50 – 60 Seiten annimmt. Das Be­schussamt verfügt somit über eine kolos­sale Fachkompetenz, hinsichtlich der technischen Anforderun­gen und praktischer Prüfung dieser Anforderungen. 

Gerade in Zusammenhang mit Ausschreibungen bietet es sich an, diese Fachkom­petenz bei der Formulie­rung der Anforderungen zu nutzen. Ein wesentlicher Aspekt einer Ausschrei­bung – neben den tech­nischen Details – sind die zeitlichen Vorgaben, die Be­schussamt mitunter als mehr als „sportlich“ empfinden. 

 

Spätestens wenn man sich die TR und die ER zur TR aufmerksam betrachtet, wird klar, dass für eine Neuentwicklung einer Dienstpistole unter Berücksichtigung aller Anforderungen an diese komplexe Technik unter den Aspekten Sicherheit, Zuverlässig­keit und Qualität, eine Einwicklungszeit von ca. 2 Jahren anzusetzen sind. Hinzu kommt die erforderliche aufwändige Erprobung zur Zertifizierung im Beschussamt, das hierfür ca. 4 Monate veranschlagt.

 

Um bei künftigen Ausschreibungen eine praxisnahe Formulierung gerade unter dem zeitlichen Aspekt zur gewährleisten, steht das Beschussamt Ulm den mit der Aus­schreibung befassten Personen jederzeit für eine ausführliche Information zur Verfügung. Durch die hierdurch vermittelten, vielfältigen Aspekte kann in einer Ausschreibung nicht nur den entwickelnden Unternehmen son­dern besonders auch dem Beschussamt die Gelegenheit gegeben werden, das bes­te Resultat für die Sicherheit der Polizei zu liefern. R. K.