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Der Betrieb des BOS-Digitalfunknetzes in besonderen Lagen

BDBOS/Kophal

Eine dedizierte TETRA-Basisstation, redundant angebunden und gegen Stromausfall gesichert. Bild: BDBOS/Bauer

Eine Sat-mBS des Bundes mit Netzersatzanlage im Einsatz. Bild: Steffen Seeger, LZPD NRW

Ein Mobiles Tetra Fahrzeug (MTF) der Autorisierten Stelle NRW wird von einer Sat-mBS des Bundes abgelöst. Bild: Steffen Seeger, LZPD NRW

Ein Mobiles Tetra Fahrzeug (MTF) der Autorisierten Stelle NRW wird von einer Sat-mBS des Bundes abgelöst. Bild: Steffen Seeger, LZPD NRW

Das deutschlandweit flächendeckende BOS-Digitalfunknetz wird 24 Stunden am Tag an sieben Tagen in der Woche überwacht. Es wird stetig gewartet, erweitert und ausgebaut. Im Alarmbetrieb jedoch ist umfangreiches Management in Echtzeit notwendig – und das Netz kann sich als sehr flexibel erweisen.


Über 4.800 Basisstationen, untereinander und mit Vermittlungsstellen verbunden, bilden das Funk- und Zugangsnetz im Digitalfunk BOS – dem größten TETRA-Netz der Welt. Es ermöglicht den Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr, Rettungswesen, Katastrophenschutz und der Bundeswehr eine verschlüsselte, einsatzkritische Sprachkommunikation untereinander. Beim Digitalfunk BOS wirken Bund, Länder und BDBOS eng und vertrauensvoll zusammen – nicht nur bei Strategie und Konzeption, sondern insbesondere im Netzbetrieb. Der Betrieb wird 24 Stunden am Tag an sieben Tagen die Woche überwacht – sowohl von den Autorisierten Stellen von Bund und Ländern als auch von der BDBOS bzw. der zugehörigen Betriebsgesellschaft ALDB. Operativ stehen hier das Netzverwaltungszentrum sowie die Betriebsaufsicht jederzeit unter anderem für die Steuerungsverantwortung, das Störungs- und Problemmanagement, für Netzänderungsmaßnahmen sowie als Ansprech- und Schnittstelle für die Autorisierten Stellen der Länder bereit.


Zur reibungslosen Aufrechterhaltung der Verfügbarkeit des Digitalfunk BOS ist es unabdingbar, dass sowohl die jeweils operativ-technischen als auch die betrieblichen Verantwortungsbereiche auf allen Ebenen eng vernetzt zusammenarbeiten und bestmöglich harmonieren. Um das zu erreichen, finden auf Bundesebene bei BDBOS und ALDB nicht nur tägliche Lagevorträge und Abstimmungstermine zwischen der Netzführung der ALDB und der Betriebsaufsicht der BDBOS statt, sondern auch operative Betriebsmeetings, in denen zusätzlich externe Telekommunikations- und Infrastrukturdienstleister zur Abstimmung geladen werden. Zwischen der BDBOS und den Autorisierten Stellen von Bund und Ländern findet solch enger Austausch sowohl bilateral als auch in regelmäßig stattfindenden Arbeitskreisen statt.

Geplante Lagen wie größere Demonstrationen, politische Gipfeltreffen, Konzerte o.ä. werden von den Autorisierten Stellen und der BDBOS sorgfältig vorbereitet. Die Netzkapazitäten werden rechtzeitig auf das Ausmaß der Lagen angepasst, die Netzabdeckung vor Ort gegebenenfalls verstärkt. Unvorhergesehene Auslastungen oder gar Störungen im Funknetz werden sofort registriert und mit den für ihren jeweiligen regionalen Verantwortungsbereich zuständigen Autorisierten Stellen in den Ländern bearbeitet. Mittels Echtzeitmonitoring ist es den beteiligten Stellen möglich, genutzte und freie Netzkapazitäten im Auge zu behalten, ggf. mögliche Überlastungssituationen – z. B. durch erhöhtes Kommunikationsaufkommen – zu registrieren und dann entsprechende technische oder auch organisatorische Maßnahmen einzuleiten. Technische Ausfälle in der hochkomplexen Infrastruktur können möglichst schnell erkannt und mit einem großen Spektrum an Gegenmaßnahmen behoben werden.


Im Alarmfall wird das Echtzeitmonitoring in ein Alarm-Monitoring angepasst, d.h. die Auswertungen finden noch detaillierter und enger statt; es werden weitere Netzparameter in den Blick genommen. Zudem wird im Betrieb und in der Betriebsaufsicht zusätzliches Personal eingesetzt, um eine noch engere 24-Stunden-Überwachung zu gewährleisten. Die Expertinnen und Experten im Netzverwaltungszentrum und in den Autorisierten Stellen haben vielfältige Möglichkeiten des operativ-technischen Managements, um der aktuellen Lage entsprechend reagieren zu können. Bei besonderen Schadensereignissen treten zudem Notfallmanagementsysteme über Bund und Länder hinweg in Kraft und es werden sowohl Besondere Aufbauorganisationen (BAO) gegründet als auch unter bestimmten Voraussetzungen der Notfallstab von der BDBOS einberufen. Auch hier greifen die Strukturen und Prozesse bei Bund und Ländern eng ineinander.

 

 

Kapazitäten im Bedarfsfall zügig erweitern

 

In besonderen Lagen, ob geplant oder ungeplant, können beispielsweise Digitalfunk-Kapazitäten in einem regionalen und lokalen Bereich ad-hoc erhöht werden, wenn das Kommunikationsaufkommen durch eine hohe Anzahl an verwendeten Endgeräten steigt. Einen Anstieg des Aufkommens bemerken die Kräfte vor Ort, wenn die Warteschleife, also die Zeit zwischen Absetzen des Sprechwunsches mittels PTT-Taste und Bestätigungston, verzögert wird. Teilweise wird dann von einzelnen Einsatzkräften der Bestätigungston als Zuweisung freier Kanalkapazität nicht abgewartet, sondern ein erneuter Sprechwunsch mittels erneuter Betätigung der PTT-Taste gesendet, was zu einer Zunahme an Sprechwünschen und damit einer zusätzlichen Auslastung in der Zelle führt. Diese Phänomene können durch Anpassungen technischer Parameter im Netz bzw. bei den Netzelementen und bei den Endgeräten adressiert werden. So können beispielsweise zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden, indem Reservierungs- und Latenzzeiten der einzelnen Funksprüche verkürzt werden – nach dem Beenden des Spruchs wird also die Verbindung nicht mehr so lang aufrechterhalten wie es im Normalbetrieb der Fall wäre. Die Kapazität bzw. Sprechzeit wird dann schneller einem anderen Funkspruch oder der nächsten Kanalanforderung zur Verfügung gestellt. Zudem können Zellwechselparameter, die Sendeleistung der Basisstationen selbst, wie auch die Sendeleistung der einzelnen Endgeräte im Netzbetrieb (sog. Trunked Mode Operation, TMO) erhöht werden. Die Konfigurationsmöglichkeiten, die über Systembefehle aus den Autorisierten Stellen oder dem Netzverwaltungszentrum kommen, sind vielfältig.


Es können auch Hardware-Erweiterungen in den Basisstationen selbst vorgenommen werden, sofern die baulichen Voraussetzungen dafür vorgehalten werden. Oftmals werden in den Systemtechnikschränken der Basisstationen sogar System-Slots, sogenannte Höheneinheiten, vorgehalten, die im Bedarfsfall durch einen Infrastrukturdienstleister rasch mit zusätzlicher Systemtechnik bestückt werden können, so dass die entsprechende Basisstation mit einer größeren Kapazität operieren kann. 

 

 

Basisstationen als Stützen der Digitalfunkversorgung

 

Besonderem Augenmerk kommt gerade im Ernstfall den mittlerweile über 4.800 Basisstationen zu, denn neben den Vermittlungsstellen sind sie die Stützen des BOS-Digitalfunknetzes und baulich besonders exponiert. Um sie vor einem Systemausfall zu schützen, wird in der Regel u.a. eine unterbrechungsfreie Stromversorgung mittels leistungsfähiger Batterien sichergestellt. Die Systemtechnik der Basisstationen wird so im Falle eines Stromausfalls für mindestens zwei Stunden am Laufen gehalten – einige Basisstationen haben auch deutlich höhere Batteriepuffer verbaut. Die Zeit, in der eine Stromversorgung übergangsweise durch Batterien in Kraft ist, wird genutzt, um eine Netzersatzanlage für die Energieversorgung über den Batteriepuffer hinaus anzuschließen. Einige Basisstationen haben fest verbaute Netzersatzanlagen, welche in diesem Falle automatisiert übernehmen. Allerdings müssen solche Netzersatzanlagen – z. B. Dieselgeneratoren oder Brennstoffzellen – in regelmäßigen Abständen geprüft, gewartet und auch mit Treibstoff, also winterfestem Diesel oder Wasserstoff, versorgt werden. Die Betankung kann gerade im Katastrophenfall eine besondere Herausforderung sein. Hier greifen entsprechende Konzepte des Katastrophenschutzes, die definieren, welche Behörde oder Organisation für welche Systeme im Bedarfsfall sorgt.


Die so gegen Stromausfall gesicherten Basisstationen sind in den meisten Fällen über die landeseigene Infrastruktur von Behörden oder mit Datenkabeln kommerzieller Telekommunikationsunternehmen miteinander bzw. mit den Vermittlungsstellen verbunden. Das Land Berlin leistet sich hierfür ein eigenes dediziertes Glasfasernetz, welches von der Berliner Feuerwehr betreut wird. In einigen Bundesländern sind auch Basisstationen im Einsatz, die mittels Richtfunk miteinander bzw. mit Vermittlungsstellen verbunden sind. Das hat den Vorteil, dass keine unterirdischen Leitungen benötigt werden, welche störanfällig sein können oder nicht in staatlicher Hand sind. Auch in dicht bebauten Stadtgebieten, aber auch abseits urbaner Gebiete in Gebirgsregionen, ist eine Richtfunkanbindung von Basisstationen nicht selten.


Sollte eine Datenverbindung von oder zu einer Basisstation trotz der mehrfach redundanten Anbindung wirklich einmal ausfallen, zum Beispiel wenn die unterirdischen Leitungen beidseitig beschädigt oder gar zerstört sind und keine alternative Anbindung durch Richtfunk gegeben ist, schaltet die Basisstation in einen Fallback-Modus: Die abgeschnittene Systemtechnik versorgt die aktuell in der Zelle angemeldeten Endgeräte dann untereinander, d.h. eine Sprachkommunikation innerhalb dieser Zelle ist per TMO weiterhin möglich, nicht jedoch die Kommunikation mit Funkteilnehmenden in anderen Zellen. Auch neu in der sich im Fallback-Modus befindlichen Zelle ankommende Einsatzkräfte bzw. deren Endgeräte können nicht eingebucht werden, da die Basisstation keine Rechte über das Verbindungsnetz abfragen und die Geräte entsprechend registrieren kann.

 

 

Mobile Basisstationen als Notfallbehelf

 

Um die Funkversorgung im BOS-Digitalfunknetz trotz ausgefallener oder abgeschnittener Basisstationen aufrecht zu halten, können mobile Basisstationen eingesetzt werden. Diese mobilen Basisstationen (mBS) werden über eine Satellitenverbindung oder über entsprechende Netzzugangspunkte (bspw. an einer Basisstation) an das Verbindungsnetz angebunden.


Mobile Basisstationen mit Satellitenanbindung (Sat-mBS) sind das flexibelste Instrument, wenn lokal oder regional die Abdeckung nicht vollumfänglich gewährleistet ist. Allein der Bund betreibt zehn solcher Sat-mBS, die über zehn Bundesländern im Bundesgebiet verteilt sind und dort auch technisch gewartet und mit bspw. Softwareupdates versorgt werden, so dass sie im Bedarfsfall direkt an den Einsatzort verbracht und hochgefahren werden können. Die Aufstellung einer mBS – ob nun mit oder ohne Sat-Anbindung – ist dabei jedoch nicht trivial: Im Vorfeld ist intensive, fachkundige Funknetzplanung nötig, damit die mBS bestmöglich aufgestellt eine entsprechende Reichweite entfalten kann, alle Nachbarschaftsbeziehungen zu anderen Basisstationen oder mBS geregelt sind und dadurch Gesprächsabbrüche oder Interferenzen vermieden werden. Auch Sende- und Empfangsfrequenzen dieser mBS können nicht ohne weiteres sofort genutzt werden: Sie müssen bei der Bundesnetzagentur beantragt und genehmigt werden, was bei kurzfristigen Soforteinsätzen oder gerade in urbanen Gebieten mit hohem Funkaufkommen bzw. vielen bereits belegten Frequenzen neben dem Digitalfunk BOS eine große Herausforderung darstellen kann. Indes kann es bis zur vollständigen Inbetriebnahme einer mBS – unter bestmöglichen Bedingungen und abgesehen von den abgesehen von den Transportwegen ins Einsatzgebiet – zwischen vier und zehn Stunden dauern.


Werden mBS mit Sat-Anbindung eingesetzt, so erfolgt die Sprach- und Datenübermittlung verschlüsselt via Satellit zwischen der Sat-mBS und einer im Bundesgebiet befindlichen sogenannten Satellitenkopfstelle. Die so bezeichnete Vermittlungsstelle verfügt über eine Satellitensende- und Empfangsanlage und speist Funksprüche sowie Daten wieder in das Vermittlungsnetz ein bzw. sendet diese zurück an die im Einsatz befindlichen Sat-mBS. So kann eine satellitengestützte mBS auch neue Endgeräte mit der nötigen Rechteabfrage in ihre Zelle einbuchen und verwalten oder auch Konfigurationsdaten für sich und alle Endgeräte in Reichweite transportieren.




Neben den Sat-mBS verfügen einige Länder auch über mBS ohne Satellitenanbindung – diese werden durch verschiedene Anbindungsarten direkt an das Verbindungsnetz bspw. über eine Basisstation oder eine geeignete Schnittstelle als Netzübergangspunkt angeschlossen. Solche mobilen Basisstationen sind nicht ganz so flexibel einsetzbar wie eine Sat-mBS, doch helfen auch sie im Bedarfsfall, wenn z. B. Umbauten an regulären Basisstationen vorgenommen werden oder längere geplante Lagen wie bspw. große Konzerte nicht mit einer Basisstation allein versorgt werden können. 

 

 

Immer verfügbar: Direct Mode Operation (DMO)

 

Zum Konzept des ausfallsicheren Digitalfunks gehört auch der sogenannte DMO-Betrieb. Damit ist gemeint, dass auch bei völliger Nichtverfügbarkeit einer Basisstation noch immer der netzunabhängige Direktbetrieb (Direct Mode Operation, DMO) aller Endgeräte im Einsatz möglich ist und die Einsatzkräfte direkt miteinander kommunizieren können. DMO ist immer verfügbar, auch um mit Führungsfahrzeugen in Reichweite zu kommunizieren. Mittels Funksprechgeräten, die speziell als Repeater eingerichtet sind, kann die Reichweite der DMO-Kommunikation noch weiter erhöht werden. Wichtig sind natürlich bspw. die geografischen Gegebenheiten vor Ort, die von Führungskräften erkannt und entsprechend in die Überlegungen zum Beispiel zum Standort eines Führungsfahrzeuges als DMO-Element einfließen müssen.

Doch DMO soll immer nur die letzte Option darstellen. BDBOS, ALDB und die Autorisierten Stellen von Bund und Ländern sorgen neben Infrastrukturdienstleistern und Telekommunikationsprovidern dafür, dass Beeinträchtigungen, Störungen oder Ausfälle auf ein Minimum reduziert werden.

 

 

Vorbereitet in die nächste Lage

 

Bund und Länder arbeiten kontinuierlich gemeinsam daran, das BOS-Digitalfunknetz auszubauen und weiter gegen Störungen oder gar Ausfälle zu sichern. Die enge Zusammenarbeit aller am Netz Beteiligten von Bundesebene über die Länder bis in die BOS hinein ist dabei unabdingbar und stellt kontinuierlichen Informations- und Erfahrungsaustausch sicher. So können Ideen und Verbesserungen umgesetzt und das Netz weiter in die Zukunft entwickelt werden. Stör- und Schadensereignisse können sorgfältig analysiert werden, damit das BOS-Digitalfunknetz und sein Management für die nächste Planlage und die nächste Sofortlage vorbereitet sind.


Autoren: Thomas Bauer und EPHK Michael Fiegen, Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

Bilder: siehe Bildunterschriften