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Automatisierte Fotografie für virtuelle Tatortkopie

PiXplorer 500

PiXplorer 500 auf Stativ

Zoom Ausschnitte

R2S Oberfläche

PiXplorer 500 Software

Die Übertragung von Tat- / Ereignisorten in die Virtuelle Realität (VR) hält Einzug in die Arbeit der Polizei und liefert den Spezialisten der einzelnen Disziplinen ein umfassendes Bild der vorgefundenen Zustände. Die anschauliche Wiedergabe und Bündelung komplexer Tatortinformationen bietet für alle Beteiligten, vom Ermittler bis zum Richter, große Vorteile.

 

Für die Dokumentation und Vermessung der Tatorte kamen bisher vor allem terrestrische Laserscanner, manuelle Nodalpunktadapter oder Spezialkameras zum Einsatz. Auf Grund des Arbeitsaufwandes, der hohen Anschaffungskosten und der notwendigen speziellen Ausbildung war die virtuelle Tatortkopie bisher nur wenigen Teams, vor allem für Kapitaldelikte, vorbehalten.

 

Der für den Forensik-Bereich entwickelte Panoramaroboter 'piXplorer 5oo Forensik' erweitert den sinnvollen VR-Einsatz in allen Bereichen der Polizeiarbeit. Auch ohne fotografische Spezialkenntnisse sind hochwertige Aufnahmen bei minimalem Arbeitsaufwand garantiert. Zusammen mit den niedrigen Investitionskosten und den überaus positiven Einsatzerfahrungen spricht alles für den breiten Einsatz dieses Systems.

 

Mit den Werkzeugen der modernen Panoramafotografie werden komplexe Tat- oder Ereignisorte schnell und effektiv in Ihrer Ursprungssituation erfasst und konserviert. Eine virtuelle Tatortkopie bündelt komplexe Tatortinformationen in einfacher, übersichtlicher und visueller Form an einer zentralen Stelle. Sollte im Rahmen der weiteren Ermittlungen der Tatort erneut betreten werden müssen, ist dies in der „virtuellen Tatortrealität“ jederzeit möglich. Die virtuelle Tatortkopie liefert alle nötigen Informationen, ohne vor Ort sein zu müssen und ohne Spuren durch mehrfache Begutachtung zu gefährden. Sie veranschaulicht Fallinformationen für Kolleginnen und Kollegen, Staatsanwälten und Gerichte.

 

Auch in der Prävention, z. B. vor Großereignissen, können Einsatzkräfte mit virtuellen Szenarien geschult und optimal auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. Kritische Infrastruktur wird visuell dokumentiert und die Notfallplanung, z. B. für den Fall eines Anschlages, realitätsnah durchgespielt und verbessert. Virtuelle Einsatzorte bieten für Schulungs- und Ausbildungszwecke unverzichtbare Lehrinhalte.

 

Die Erstellung einer Tatortkopie untergliedert sich in 3 wesentliche Schritte:

 

1.   Lückenlose fotografische Erfassung des Ereignisortes. Qualität und Vollständigkeit der Aufnahmen am Ort des Geschehens sind dabei entscheidend für die spätere Qualität der virtuellen Kopie. 
 
 

2. Zusammenfügen (Stitchen) der Einzelaufnahmen zu sphärischen Bildern (360°-Panoramen).
 
 

3. Verknüpfen der 360°-Panoramen zu einem Rundgang, in den weitere digitale Informationen, wie Pläne, Fotos, Dokumente, Videos, Audioaufnahmen, u. a., eingebettet werden. 

Der folgende Überblick zeigt die zeitgemäße und rationelle Erstellung einer virtuellen Tatortkopie und geht dabei auf moderne Werkzeuge und Arbeitstechniken ein.

 

Tatortdokumentation mit automatisierter, sphärischer Fotografie

Neben manuellen Nodalpunktadaptern existieren semiautomatische Panoramaköpfe (VR-Kopf) und, seit kurzem, vollautomatische Lösungen für den Aufnahmeprozess sphärischer Fotografien. 

 

VR-Köpfe ermöglichen die programmgesteuerte, motorgetriebene Bewegung der Kamera um den Bildhauptpunkt (Nodalpunkt). Die Kamera wird dabei so geschwenkt und geneigt, dass alle erforderlichen Bereiche der Umgebung erfasst und mit ausreichender Überschneidung fotografiert werden. VR-Köpfe sind für den universellen Einsatz mit verschiedenen Kameratypen geeignet. Nachteilig an dieser Universalität ist die notwendige Fachkenntnis bzw. das erhöhte Potential für Bedienfehler. Viele Parameter wie die exakte Nodalpunktjustage, Belichtungszeit, Blende, Empfindlichkeit und Überschneidung sind für scharfe, bruchfreie und durchgezeichnete Panoramen zu beachten.

 

Diese technischen Schwachpunkte gaben den Anstoß zu einer neuen Gerätegeneration. Mit dem 'piXplorer 5oo Forensik' (Dr. Clauß Bild- und Datentechnik GmbH, Zwönitz) wurde ein vollintegrierter Panoramaroboter realisiert, der „auf Knopfdruck“ optimal ausgeleuchtete und  hochaufgelöste 360°-Aufnahmen mit maximaler Schärfentiefe bereitstellt.

 

Der Aufnahmeprozess vor Ort ist denkbar einfach. Der 'piXplorer 5oo Forensik' wird aus dem Transportkoffer entnommen, auf ein Stativ montiert und eingeschaltet. Per simplem Knopfdruck beginnt die Aufnahmesequenz und läuft vollständig autonom. Keine Aufwärmzeit, keine Kameraeinstellungen, keine störenden Kabel und keine externe Computersteuerung – in jeder Situation hochwertige Bilder auf Knopfdruck. 

 

Eine Fehlbedienung ist praktisch ausgeschlossen und das Risiko an einem Tatort unbeabsichtigt Veränderungen vorzunehmen oder Trugspuren zu legen reduziert sich auf ein absolutes Minimum.

 

Der 'piXplorer 5oo Forensik' positioniert die Kamera in 58 Aufnahmepositionen und löst je 7 Einzelaufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungseinstellungen aus (HDR-Fotografie). 

 

Der Aufnahmeprozess dauert in jeder Situation und auch bei völliger Dunkelheit nur 4,5 Minuten pro Standort. 

 

Die zusammengefügten vollsphärischen Bilder besitzen eine Auflösung von 512 Megapixel und einen Dynamikumfang von 26 Blendenstufen. Die Ortsauflösung liegt daher bei ca. 1 mm in 5 m Abstand.

 

Der 'piXplorer 5oo Forensik' verfügt über eine hervorragende Akkulaufzeit von mindestens 75 Standorten und ist nach IP54 gegen Umwelteinflüsse wie Spritzwasser und Staub geschützt. Er ist damit bestens für den täglichen Einsatz gerüstet.

 

Jedes Panoramasystem wird herstellerseitig geometrisch und photometrisch kalibriert, was exakte, qualitativ hochwertige Bildergebnisse und eine geometrische Reproduzierbarkeit garantiert. Die sphärischen Bilddaten können daher auch zur Vermessung der Tat- und Ereignisorte eingesetzt werden.

 

Automatisierte Bildverarbeitung

Der Stitching-Prozess war bisher ein nervenaufreibender Zeitfresser. Herkömmliche Softwarelösungen für die Komposition des Gesamtbildes aus den Einzelaufnahmen sind auf den Bildinhalt angewiesen um ein einwandfreies Panorama zu berechnen. 

 

Ein manuelles Eingreifen in den Prozess bzw. eine manuelle Nachbearbeitung war daher meist unvermeidbar. 

 

Der 'piXplorer 5oo Forensik' bietet auch hier eine echte praxistaugliche Lösung: Die systemeigene Verarbeitungssoftware 'piXplorer 5oo processor' berücksichtigt sämtliche Systemeigenschaften und Kalibrierdaten bei der geometrischen und photometrischen Bildverarbeitung um die üblichen Stitchingprobleme wie geometrische Verzerrungen oder Brüche zu vermeiden. 

 

Der 'piXplorer 5oo processor' arbeitet vollkommen ohne Nutzerinteraktion im Batch-Betrieb. Jeder Standort wird als einzelner Arbeitsauftrag in die Software geladen und autonom sequenziell abgearbeitet. Der Prozess erfolgt nach Abschluss der Arbeiten am Tatort parallel zum sonstigen Tagesgeschäft oder während der Nachtstunden.

 

Auch nach Abschluss der Bildverarbeitung stehen alle Einzelaufnahmen unverändert zur Verfügung. Die Verwendung für spätere Analysen oder Berichte ist problemlos möglich.

 

JPEG oder RAW

Das 'piXplorer 5oo Forensik' System kann sämtliche Einzelaufnahmen im JPEG oder im RAW Format erzeugen und ablegen. RAW-Bilder repräsentieren das nahezu unbehandelte, native Signal aus dem Kamera-Chip. Nicht oder verlustfrei komprimiert ermöglichen RAW-Bilder durch den höheren Dynamikumfang eine größere Flexibilität beim weiteren Arbeitsprozess und können je nach Fragestellung angepasst werden, benötigen aber circa 3 bis 4 Mal mehr Speicherplatz.

 

Zur Weiterverarbeitung von RAW-Aufnahmen steht der 'piXplorer 5oo processor pro' zur Verfügung, der beide Formate „stitchen“ kann. 

 

Das sphärische Bild wird entweder als JPEG-Datei mit komprimierten Dynamikumfang (LDR) oder als EXR-Datei mit vollem Dynamikumfang (HDR) ausgegeben.

 

Vom Einzelpanorama zur virtuellen Tatortkopie

Ein für die Dokumentation komplexer Tatorte,  speziell für den Einsatz in der Kriminaltechnik entwickeltes Softwarepaket ist die 'R2S Forensic' Software, die sich durch eine außergewöhnliche Bedienerfreundlichkeit und einen hohen Sicherheitsstandard auszeichnet.

 

Durch Kombination des 'piXplorer 5oo Forensik' Systems und der 'R2S Forensic' Software kann bereits innerhalb kurzer Zeit nach dem Erstangriff eine digitale Kopie des Tatortes zur Verfügung gestellt werden. Kollegen können nahezu ohne Zeitverlust über den aktuellen Ermittlungsstand informiert werden. Die bildorientierte Strukturierung der verfügbaren Informationen erleichtert die effiziente Ermittlungsarbeit. 

 

Der laufend aktualisierte, virtuelle Rundgang unterstützt Fallbesprechungen und Analysen erheblich und liefert auch weiteren Prozessbeteiligten wie Anwälten oder Gerichten anschauliches Material.

 

Durch Verknüpfung mehrerer Panoramabilder entsteht ein digitaler   Rundgang, in dem ein Ereignisort im wahrsten Sinne des Wortes virtuell „begehbar“ wird. 

 

In der Praxis werden die hochaufgelösten, sphärischen Aufnahmen durch einfaches "Drag and Drop" in die Software geladen und verknüpft. 

 

Zusätzlich kann eine Vielzahl von weiteren „Assets“ (digitale Informationen), wie zum Beispiel andere Kamerabilder, Grundrisse, Pläne, Fotos, Dokumente (Word, pdf, u.a.), Ton- / Videoaufnahmen, Fingerspuren, DNA-Untersuchungsergebnisse, und vieles mehr eingefügt werden. 

 

Jeder Schritt in der Projektentwicklung wird rückverfolgbar dokumentiert. Arbeitsergebnisse lassen sich als eigenständiger, passwortgeschützter Tatortrundgang exportieren und können in dieser Form systemunabhängig weitergegeben und präsentiert werden. 

 

Alle Verknüpfungen und Messfunktionen arbeiten auch in diesem exportierten Tatortrundgang.

 

Besonders nützlich sind neben der Vermessung von Bildinhalten der Panoramen auch die vielfältigen Möglichkeiten für Bemerkungen, Markierungen und Vergleichsbilder (z. B. Fingerspur vom Tatort vs. Vergleichsspur aus der Datenbank).

 

Tatortvermessung mit sphärischer Fotografie

Erweitert man die Panoramaaufnahme um ein zweites Panorama pro Standort, eröffnet sich die Möglichkeit, jede im Bild sichtbare Geometrie zu vermessen. In der Praxis verwendet man dazu ein höhenverstellbares  Stativ, welches genau, stabil und reproduzierbar zwei Panoramaaufnahmen in unterschiedlicher Höhe zulässt. Beide Panoramen werden direkt nacheinander aufgenommen, der Arbeitsaufwand steigt beim 'piXplorer 5oo Forensik' daher nur um 5 Minuten pro Standort. 

 

Zu jeder Zeit jeden Gegenstand und jede Spur zentimetergenau vermessen zu können ist für den Ermittler unschätzbarer Mehrwert und auf diese Weise ohne nennenswerten Aufwand möglich.

 

Beide höhenversetzten Aufnahmen werden gleichzeitig in die 'R2S Forensic' Software eingelesen und die gesuchten Dimensionen durch einfaches Setzen von Messpunkten ermittelt. Die Messdaten können als AutoCAD- (.DXF), Excel- (.xls) oder Textdateien (.txt) exportiert und weiterverarbeitet werden.

 

Automatisierte sphärische Fotografie und 3D Laserscanning

Die Vermessung von Tatorten bei Kapitaldelikten per Laserscan ist mittlerweile gängige Praxis. Zwar liefert die erzeugte Punktwolke exakte und detailreiche Geometriedaten, qualitativ hochwertiges Bildmaterial zur Texturierung können diese Systeme nicht bieten. 

 

Die Systemkameras der Laserscanner sind im Hinblick auf Bildqualität (Schärfe, Dynamik etc.) und Bildauflösung für forensische Belange i. Allg. unzureichend. Um hochwertige Texturen für Punktwolken aufzunehmen, gibt es für den 'piXplorer 5oo Forensik' zu allen Laserscannern passende Höhenadapter, die die Kameraachse auf die Höhe der Spiegelachse des Scanners bringt. Auf diese Weise passen Bilddaten und Scandaten ohne Versatz zusammen und lassen sich zur eingefärbten Punktwolke verschmelzen.

 

Ausblick: Mit automatisierter Fotografie zum 3D Modell

Durch die Nutzung des 'piXplorer 5oo Forensik' steht ein umfangreicher Bilddatensatz eines Tatortes zur Verfügung. Zukünftig wird eine photogrammetrische Ableitung von Punktwolken aus den Einzelaufnahmen möglich sein. Eine Weiterverarbeitung zum digitalen 3d-Modell, in dem man sich frei bewegen kann, erfolgt analog zur Laserscan-Punktwolke.

Dies eröffnet zusätzliche Optionen für Analyse (z. B. Schusswinkelbestimmung) und Überprüfung (z. B. von Zeugenaussagen) auch bei älteren Fällen.

 

Einsatzerfahrungen 'piXplorer 5oo Forensik' & 'R2S Forensic' Software

Der 'piXplorer 5oo Forensik' wird seit 2016 angeboten und hat sich bereits bei einer Reihe von Dienststellen in Deutschland unter Einsatzbedingungen bewährt. Auch die R2S Forensic Software wird routinemäßig und erfolgreich eingesetzt. Gerne stellen wir entsprechende Referenzen zur Verfügung.

 

Text: Dr. Franz Aberl, abf diagnostics GmbH, Kranzberg und Hartmut Clauß, Dr. Clauß Bild- und Datentechnik GmbH, Zwönitz

Bilder: Dr. Clauß Bild- und Datentechnik GmbH