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Von A wie Analyse bis Z wie Zertifizierung

Systemtechnikschrank in der Testplattform

Systemtechnikfläche der Testplattform

Typfreigabetest von Systemtechnik mit Hilfe von Handfunkgeräten

Systemtechnik der Testplattform

Von außen ist es ein eher unscheinbares Gebäude, doch hinter den Türen verbergen sich auf knapp 5.100 m² die technischen Voraussetzungen für ein eigenständiges kleines TETRA-Digitalfunknetz: Die Testplattform im Berliner Bezirk Kreuzberg ermöglicht ihren Nutzergruppen vielseitige Nutzungsmöglichkeiten. 

 

Ursprünglich war die Testplattform der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) in Ulm angesiedelt. Ihr heutiger Standort, in der Nähe des Halleschen Tores in Berlin, war vorher ein vom Bund genutztes Rechenzentrum. Nach der Anmietung durch die BDBOS wurde das Gebäude im Jahr 2010 renoviert und für die Anforderungen der Testplattform umgebaut. Zum Ende des Jahres 2011 zog die Systemtechnik in die neuen Räumlichkeiten nach Berlin um. Ebenso wie das Wirknetz des Digitalfunks BOS wird auch die Testplattform von der Alcatel-Lucent Digitalfunk Betriebsgesellschaft GmbH (ALDB/Nokia) im Auftrag der BDBOS betrieben.

 

Wesentlicher Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der BDBOS

Die BDBOS verantwortet den Aufbau, den Betrieb und die Weiterentwicklung des Digitalfunks BOS. Zur Erfüllung dieser Aufgaben leistet die Testplattform einen wesentlichen Beitrag: Sie dient der Zulassung von Systemtechnik und Endgeräten des BOS-Digitalfunknetzes sowie für dessen Qualitätssicherung. Auf sieben Ebenen bildet die Testplattform, in einer räumlich geschlossenen Umgebung unter Laborbedingungen, die technischen und funktionalen Eigenschaften repräsentativ ab. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Netztopologie des BOS-Digitalfunknetzes. Ausgestattet ist sie daher mit allen dafür notwendigen Netzelementen, Systemen, Komponenten, Endgeräten sowie Mess- und Prüfgeräten. Derzeit stehen den Nutzergruppen der Testplattform zwei voneinander unabhängige, und parallel zu betreibende, technisch baugleiche Testsysteme - Teststraße 1 und 2 - zur Verfügung. 

 

Technischer Aufbau und Nutzergruppen

Zu den wesentlichen Komponenten der Teststraßen zählen jeweils eine Transitvermittlungsstelle, zwei Vermittlungsstellen, acht Basisstationen sowie das IP-Backbone. Die Teststraße 1 spiegelt den aktuellen Wirknetzzustand wieder und ist für den Regelbetrieb konzipiert. Dabei wird sie zur Unterstützung von Fehlerdiagnosen und -beseitigungen herangezogen und dient zur Überprüfung der Interoperabilität und Störungsfreiheit von Endgeräten. Auf der Teststraße 2 werden neue Komponenten sowie netzseitige Einstellungen und Parameter vor deren Einführung in das Wirknetz getestet. Dort spiegelt sich also die nächste Entwicklungsstufe des BOS-Digitalfunknetzes wieder. Prinzipiell besteht keine Verbindung der Testplattform mit dem Wirknetz, sodass Tests rückwirkungsfrei vorgenommen werden können.

 

Die „Nutzungsordnung für die Testplattform der BDBOS“ unterscheidet drei Nutzergruppen gemäß ihrer Anforderungen: externe Nutzer (Hersteller, Bund und Länder, Prüfstelle), BDBOS-Mitarbeiter/-innen sowie die Beschäftigten der ALDB/Nokia. Die Anforderungen der Nutzergruppen an die Technik fallen unterschiedlich aus, daher können Tests nicht immer parallel auf der gleichen Teststraße erfolgen. Die zeitlichen Vorläufe der einzelnen Tests liegen zwischen einigen Stunden und mehreren Monaten.

 

Testräume und externe Anbindungen

Im Rahmen der Teststraßen stehen insgesamt fünf Testräume zur Verfügung. Diese ermöglichen den Nutzergruppen, parallel mehrere Tests durchzuführen. Die Testplattform bietet zwei Zertifizierungsprüflabore (ZPL) für IOP-Prüfungen von Endgeräten, die von zertifizierten Mitarbeitern der Betreiberin betreut werden.

 

Zur Unterstützung der Test- und Schulungszentren von Bund und Ländern besteht die Möglichkeit, externe Standorte an die Teststraße 1 anzubinden und in Übungsumgebungen den Umgang mit dem Digitalfunk BOS zu erlernen (z.B. Schulungen an Endgeräten). Aktuell wird dies von mehreren Standorten in Sachsen und Bayern genutzt. Auch die Bundespolizei in Lübeck sowie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sind durch eine externe Anbindung mit der Testplattform verbunden.

 

Diverse Nutzungsmöglichkeiten

Zum Einsatz kommt die Testplattform vor allem bei der Betriebsunterstützung. Diese umfasst die Analyse von Fehlern, die im Wirknetz beobachtet wurden, sowie das Testen von Zwischenlösungen und fehlerbezogenen Arbeitsanweisungen. Unter die Betriebsunterstützung fällt auch die Überprüfung von Maßnahmen zur Notfallvorsorge, wie z.B. das Einspielen einer Datensicherung.

 

Darüber hinaus dient die Testplattform der Typfreigabe, da hier grundsätzlich alle Systemtechnikkomponenten und -funktionen hinsichtlich ihrer Eignung für den Digitalfunk BOS untersucht werden. Ohne erfolgreich bestandene Typfreigabe ist eine Einführung ins BOS-Digitalfunknetz ausgeschlossen. Bund und Länder können ebenfalls Tests beantragen. Dies betrifft in der Regel Tests mit Endgeräten, insbesondere von Leitstellen und deren Anbindung.

 

Bei der sogenannten Interoperabilitätsprüfung (IOP-Prüfung) untersucht eine durch das BSI zertifizierte Prüfstelle die Störungsfreiheit und Interoperabilität, sowie die Erfüllung der Leistungsmerkmale von Endgeräten gemäß den in den BOS-Interoperabilitätsrichtlinien (BOS-IOP-Richtlinien) definierten Leistungsmerkmalen für Endgeräte (LM-END). Diese Prüfung ist Voraussetzung für eine Zertifizierung im Sinne des BDBOS-Gesetzes. Der erforderliche Umfang der IOP-Prüfung ist in den BOS-IOP-Richtlinien einsehbar. Diese stehen den zugangsberechtigten Herstellern sowie Bund, Ländern und Ansprechstellen im geschützten Bereich auf der BDBOS-Internetseite zur Verfügung. Die Prüfungen erfolgen in einem der zertifizierten Prüflabore (ZPL).

 

Optionale und erforderliche Leistungsmerkmale der Endgeräte

Es ist das zentrale Anliegen der BDBOS, den Digitalfunk BOS gemäß den Anforderungen der Nutzer/-innen weiterzuentwickeln und ihnen stets ein verlässliches Kommunikationsmittel an die Hand zu geben. Daher obliegt es den Koordinierenden Stellen (KS) von Bund und Ländern, entsprechende Endgeräte-Anforderungen an die BDBOS heranzutragen. Die BDBOS prüft und präzisiert diese in Leistungsmerkmalen und definiert die Testfälle für die Überprüfung auf der Testplattform. 

Mit den BOS-IOP-Richtlinien regelt die BDBOS die für die einzelnen Endgerätetypen festgelegten Leistungsmerkmale, einschließlich der dazugehörigen Leistungsbeschreibungen. Darüber hinaus geht aus den Richtlinien hervor, welche Leistungsmerkmale als zwingend erforderlich oder optional eingestuft gelten. 

Zu den verbindlichen Leistungsmerkmalen zählen zum Beispiel die Funktionen der Gruppen- und Einzelkommunikation, der Notrufdienst, der Kurznachrichtendienst sowie taktische Statusmeldungen. Die Festlegung der darüber hinausgehenden erforderlichen Leistungsmerkmale für die Nutzer/-innen der einzelnen Bundesländer obliegt den Ländern.

Optionale Funktionen sind unter anderem die Alarmierung und Bluetooth, der Protokollumsetzer (Gateway) sowie der DMO-Zeitschlitzumsetzer (DMO-Repeater). Letztere Funktionen geben den Einsatzkräften technische Möglichkeiten an die Hand, um die Funkkommunikation auch in nicht versorgten Gebäuden zu gewährleisten bzw. die Reichweite ihrer Endgeräte zu erhöhen.

 

Objektfunkversorgung

Viele Gebäude können durch die Freifeldversorgung des Digitalfunks BOS bereits automatisch mitversorgt sein. Einige Gebäude sind architektonisch jedoch so beschaffen, dass sie nicht ausreichend von den Funkwellen durchdrungen werden. Dies ist abhängig von den verwendeten Baustoffen und Bauteilen. Insbesondere moderne Bauwerke zeichnen sich durch eine massive Stahlbetonbauweise, metallbedampfte Verglasung oder durch vorgehängte Fassadenelemente aus Metall (bspw. Aluminium) aus. In solchen Gebäuden sind entsprechende Objektfunkanlagen erforderlich, um die Funkversorgung sicherzustellen. Die Errichtung und der ordnungsgemäße Betrieb dieser Anlagen liegen in der Verantwortung der Gebäudeeigentümer oder Betreiber. Neubauten werden auf Grundlage des jeweiligen Landesbaurechts mit digitaler Funktechnik ausgestattet. Für die Umrüstung von analogen Bestandsanlagen gibt es dagegen derzeit in den Ländern unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen.

 

Repeater erhöhen die Reichweite

Dort wo eine fehlende Objektversorgung die Kommunikation in und aus einem Gebäude erschwert, stehen den Einsatzkräften verschiedene technische Lösungen zur Verfügung.

Der netzunabhängige DMO-Betrieb (Direct Mode Operation) ermöglicht Funkgeräten, die nicht zu weit voneinander entfernt sind, in einer Rufgruppe direkt miteinander zu kommunizieren, ohne dabei auf die Funkversorgung durch das Digitalfunknetz angewiesen zu sein. Um die Reichweite im DMO-Betrieb zu erhöhen, kann ein entsprechend ausgestattetes Hand- oder Fahrzeugfunkgerät als mobiler DMO-Repeater eingesetzt werden. Dieser setzt die vom ihm empfangenen Signale eines sendenden DMO-Teilnehmenden in der Sprechgruppe um, indem er sie von seiner Position aus für die anderen Funkteilnehmer/-innen erneut aussendet. Der Repeater wirkt wie ein Verstärker und im Idealfall lässt sich so eine Reichweitenverdopplung erzielen. Es gilt jedoch zu beachten, dass ein weiterer Repeater im Versorgungsbereich des ersten Repeaters dessen Verbindung stört.

 

Das Gateway als Verbindung nutzen

Durch die fehlende Netzanbindung im DMO-Betrieb ist jedoch keine Kommunikation mit entfernten Funkteilnehmenden, wie zum Beispiel der Leitstelle, möglich. Um das BOS-Digitalfunknetz trotzdem zu erreichen, kann ein mit der Funktion ausgestattetes Funkgerät als TMO-DMO-Gateway verwendet werden. In diesem Modus werden Gespräche von der DMO-Rufgruppe im Objekt in eine netzgebundene Gruppe (TMO-Gruppe) übergeleitet und umgekehrt. So kann eine DMO-Gruppe im Gebäude über das Gateway mit einer TMO-Gruppe außerhalb des Gebäudes kommunizieren. Voraussetzung dafür ist, dass sich das TMO-DMO-Gateway in Funkreichweite der DMO-Gruppe befindet und gleichzeitig über eine ausreichende TMO-Funkversorgung verfügt. In der Regel wird das TMO-DMO-Gateway deshalb über Fahrzeugfunkgeräte (MRT), zum Beispiel im Einsatzleitwagen von Feuerwehren, bereitgestellt. Die Nutzung der Funktion sollte vorher geübt und im Einzelfall mit der Leitstelle abgestimmt werden. Eine gesicherte Kommunikation ist nur gegeben, wenn alle Handfunkgeräte (HRT) das Gateway „sehen“ und über dieses funken. Denn sowohl ein weiteres Gateway - auf der gleichen DMO-Gruppe - als auch Funkgeräte auf der Rufgruppe, die als DMO-Repeater arbeiten, stören die Verbindung und dürfen daher nicht zeitgleich genutzt werden. 

 

Sinnvolle Ergänzung zur Reichweitenerhöhung

Die Repeater- und Gateway-Funktionalität ist eine sinnvolle Ergänzung, um die Reichweite der Endgeräte zu erweitern. Sie dienen der temporären Versorgung im Einsatzfall, ersetzen jedoch keine stationäre Objektversorgung. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten und der hierbei zu beachtenden Grenzen sind regelmäßige Schulungen der Anwender/-innen unabdingbar, um eine sichere Anwendung der Technik zu gewährleisten. 

Haben Länder die Gateway- und Repeater-Funktion in ihren Anforderungskatalog für die Beschaffung von Endgeräten aufgenommen, kommen zur Beschaffung nur die Geräte in Frage, die hinsichtlich dieser Leistungsmerkmale im ZPL der Testplattform geprüft und zertifiziert wurden. Die Hersteller haben im Vorfeld die Möglichkeit, ihre Endgeräte auf die in den IOP-Prüfungen nachzuweisenden Leistungsmerkmale oder auf weitere Funktionen auf der Testplattform zu testen (Herstellertest). 

 

Eigentest am Beispiel „Gegenseitige Beeinflussung von Funkgeräten im TMO- und DMO-Betrieb“ 

Zur Optimierung des BOS-Digitalfunknetzes führt die BDBOS sogenannte Eigentests auf der Testplattform durch. Diese Tests ermöglichen eine Analyse von gemeldeten Fehlern und Problemen der BOS-Digitalfunknutzer/-innen.

In Einsatzszenarien des Digitalfunks BOS findet Kommunikation oftmals in Situationen statt, in denen sich die Einsatzkräfte in sehr geringem räumlichen Abstand zueinander befinden. Vereinzelt berichteten Bund und Länder danach von einer Verringerung der Sprachqualität bis hin zu Unterbrechungen der Sprachausgabe, sowohl bei der Kommunikation im TMO als auch bei der Verwendung des Direktbetriebes (DMO). Die BDBOS führte daraufhin Untersuchungen auf der Testplattform durch.

Als wesentliche Ursache vermuteten die Experten eine Übersteuerung der Hardwarekomponenten des Empfängers in den Handfunkgeräten. In der Analyse dieser Störungen galt es, zwischen TMO- und DMO-Betrieb zu unterscheiden: Im DMO-Betrieb arbeiten Sender und Empfänger auf derselben Frequenz, wohingegen im TMO-Betrieb ein Versatz zwischen Sende- und Empfangsfrequenz besteht. Zusätzlich gibt es im TMO-Betrieb einen zeitlichen Versatz zwischen der Aussendung und dem Empfang eines Funkspruches in derselben Rufgruppe. Die Vermutung lag nahe, dass die Störung nur dann auftreten kann, wenn Sender und Empfänger unterschiedliche Rufgruppen nutzen.

 

Die Untersuchungen im TMO-Betrieb auf der Testplattform bestätigten einen Funkversorgungsabbruch bei einer kurzen Entfernung zwischen den Funkgeräten, wenn diese verschiedene Rufgruppen verwenden. Bei Nutzung gleicher Rufgruppen blieb die Störung aus. Die Untersuchungen im DMO-Betrieb zeigten hingegen keine Beeinträchtigungen der Übertragung, selbst bei einem geringen Abstand zwischen den Funkgeräten.

 

Kommunikationsstörungen im Nahbereich lassen sich durch verschiedene Ursachen erklären. Funkgeräte sind abhängig von den äußeren Gegebenheiten, können sich aber unter bestimmten Konstellationen auch untereinander beeinflussen. Durch Konfigurationsänderungen lassen sich einige Auffälligkeiten beheben, andere sind technisch bedingt. Eigentests zeigten außerdem, dass die akustischen Hinweistöne der Endgeräte zur Funkversorgung und zum Aufbau von Gruppenrufen die Nutzer/-innen dabei unterstützen, den aktuellen Status ihres Funkgeräts zu erkennen.

 

Steigende Nutzerzahlen

Im vergangenen Jahr wurden 192 Nutzungsanträge für die Testplattform bei der BDBOS eingereicht; durchschnittlich fanden 4,3 Nutzungen pro Arbeitstag statt. Zum Vergleich: Im Jahre 2015 waren es noch 149 Anträge mit durchschnittlich 3,4 Nutzungen pro Arbeitstag. Um eine Nutzung zu beantragen, steht den externen Nutzergruppen auf der BDBOS-Seite im Internet ein entsprechendes Antragsformular zur Verfügung. Die Website der BDBOS ist über www.bdbos.bund.de abrufbar.<xml> </xml>

 

Text: BDBOS/Helen Buhler 

Bilder: BDBOS/Laske