< Einheitliche Softwarestände der Digitalfunk BOS Endgeräte

"Helm-Schulterstützen" für polizeiliche Handwaffen

Abb. 1: G36C Helmschulterstütze

Abb. 2: G36 Helmschulterstütze

Abb. 3: HK169 Helmschulterstütze

Abb. 4: UMP Helmschulterstütze

Abb. 5: G36 Helmschultertütze rechts

Abb. 6: G36 Helmschulterstütze rechts ausgezogen

Abb. 7: UMP Helmschulterstütze hinten

Abbildung 8

Abbildung 9

Abbildung 10

Von Marc Roth[1]

 

Die Nutzung sog. ballistischer Helmvisiere als Ergänzung zu Schutzwesten und –helmen hat in den vergangenen Jahren gerade im Polizeibereich massiv zugenommen. Diese schalenförmigen transparenten Schutzblenden sind - nach dem Vorbild historischer Ritter-Helme - in der Regel über Achsen an den ballistischen Helmen befestigt und können so im Einsatz vor das Gesicht geklappt werden.

Handelte es sich hierbei früher primär um einen Ausrüstungsgegenstand der polizeilichen Spezialkräfte, werden nun auch vermehrt spezialisierte und reguläre „First Responder“-Kräfte, insbesondere für Terror- und Amok-Lagen, mit solchen Helmvisieren ausgestattet. Dies geschieht vereinzelt als logische Ergänzung der Ausstattung regulärer Kräfte mit ballistischem Kopfschutz – in Fachkreisen häufig als „Calimero-Helme“[2] bezeichnet.

 

Es liegt auf der Hand, dass dies Auswirkungen auf alle Einsatzmittel hat, welche am Kopf, speziell in Gesichtsnähe, genutzt werden.

Die Helmvisiere werden je nach primärem Nutzungsprofil in verschiedenen Längen konfiguriert. Meist ist bisher bei den jeweiligen Einsatzkräften – auch aus Kostengründen - nur eine definierte Länge im Einsatz.

 

In der Praxis treten hierbei folgende Probleme im Zusammenhang mit der Verwendung polizeilicher Handwaffen auf, welche alle darauf zurückzuführen sind, dass sog. Störkonturen zwischen Helmvisier und konventionellen oder aus anderen Gründen unpassenden Schulterstützen auftreten:

 

1.)    Durch Aufstehen der Unterkante des Helmvisieres auf der Schulterstütze bzw. deren Führungstubus wird das Visier zusammen mit dem Helm nach oben geschoben. Da die recht schweren ballistischen Schutzhelme zusammen mit dem klappbaren Visieren ein Gewicht von mehreren Kilo aufweisen, muss der Helm gegen Verrutschen bzw. Herunterfallen alternativlos durch einen Kinnriemen gesichert werden. Das oben beschriebene Hochschieben des Schutzvisiers samt Helm führt zu einem enormen Zug auf den Kinnriemen, da der Nutzer automatisch den Kopf nach unten bewegen will und muss, um überhaupt noch mit der Optik seiner Waffe sein Ziel aufnehmen zu können. Hierdurch wird der Kopf faktisch wie in einem Schraubstock gespannt und die gesamte Muskulatur im Kopf-/Nackenbereich permanent einer äußerst unangenehmen Verspannung ausgesetzt, sobald der Nutzer seine Waffe in Anschlag nimmt.

 

2.)    Handelt es sich um sehr lange nach unten ausgeführte Helmvisiere, kann dies ggfs. in Kombination mit einer insofern ungünstigen Schulterstützengeometrie im Extremfall zu optischen Verzerrungen durch das schrägstehende, bis zu mehreren Zentimetern dicke Schutzglas führen. Ggfs. kann dies sogar zur Folge haben, dass gerade bei einem sog. elevierten Anschlag (Waffe wird zB in urbanen Lagen schräg nach oben gehalten) dem Nutzer keine Zielaufnahme über die Waffenoptik nicht mehr möglich ist, da seine Augen die Seelenachse der Visierung nicht mehr erreichen können. In beiden Szenarien können Fehlschüsse und Kollateralschäden die Folge sein. Beim Nutzer können – schon alleine durch Übungsbetrieb - extreme Nackenverspannungen, Kopfschmerzen und temporäre Sehstörungen aufgrund der Schrägstellung des Schutzglases auftreten.

 

3.)    Je nach geometrischer Auslegung der Bodenstücke der Schulterstütze bzw. deren Übergang zum Waffengehäuse verhakt sich die Unterkante des Helmvisiers in diesem Bereich. Durch den hohen Druck, der durch Kinnriemen und Abwärtsbewegung des Kopfes entsteht, kann es zu einem Abrutschen und Verkratzen der Helmvisiere auf einer mehrere Quadratzentimeter großen Fläche kommen. An diesen Stellen wird das Schutzglas dann mit der Zeit undurchsichtig; außerdem können im worst case auch scharfe Grate an der Unterkante des Helmvisiers entstehen oder die negative Beeinträchtigtung der ballistische Schutzleistung zumindest nicht ausgeschlossen werden.

 

4.)    Schwerwiegendste Folge des geometrisch bedingten Hochschiebens des Helmvisiers ist jedoch, dass hierdurch insbesondere der bestimmungsgemäß ansonsten durch das Visier abgedeckte Hals- und Oberkörperbereich in dem Moment, in dem der Nutzer in Anschlag geht, ohne jeden ballistischen Schutz ist. Dieses ungeschützte „Hals-Dreieck“ erscheint zwar relativ klein, befindet sich jedoch zum Großteil in der letalen Zone des Körpers und wurde daher vor einiger Zeit beim Einsatz eines Länder-SEKs einem Beamten zum Verhängnis als er genau in diesem Bereich einen Schusstreffer von vorne erhielt und in der Folge verstarb. 

 

Dieses Problem kann durch extrem hohe Kragen der Schutzwesten bestenfalls teilweise kompensiert werden und bereitet dafür dem Nutzer in der Folge ergonomische Probleme, wie verminderte Beweglichkeit und Atmungsprobleme beim Senken des Kopfes durch den in Mund- und Halsnähe befindlichen Kragen; auch vermehrtes Beschlagen des transparenten Helmvisiers durch Atemhauch kann dann auftreten.

Die hieraus zu treffenden Ableitungen in Bezug auf die Konfiguration polizeilicher Handwaffen sind:

 

1.)    Auf die Länge der ballistischen Helmvisiere abgestimmte sog. „Helmschulterstützen“.

 

2.)    Erhebliche sog. „Visierlinienerhöhungen“ in Form von hoch ausgelegten Optik-Montagen, alternativ/kumulativ die Nutzung sog. Spacer, welche den Abstand der Optik- zur Rohrseelenachse so erhöhen, dass der Nutzer eines Helmvisiers nicht mehr gezwungen ist seinen Kopf vollständig nach unten zu senken wie bei konventionellem Anschlag ohne Helmvisier.

 

Nebenstehende Abbildungen 1 bis 4:

 Neuartige Helmschulterstütze von Heckler & Koch für die Waffenmodelle G36 (Kal. 5.56mm), UMP (Kal. 9mm) und HK269 (Kal. 40mm). Diese ist längenverstellbar, beidseitig schwenk- bzw. klappbar und ermöglicht auch in angeklapptem Zustand das Sichern und die Betätigung des Abzugs. Die Schulterstütze baut sehr weit nach unten, um so auch die Nutzung sehr langer ballistischer Helmvisiere ohne Nutzungseinschränkungen der Waffe zu gewährleisten. Gut zu erkennen ist auch die gerundete sog. Gleitschräge am Scharnier der Schulterstütze, um bei dynamischem Anschlagen der Waffe ein Hängenbleiben des Helmvisiers an der Waffe zu vermeiden, indem dieses ohne Beschädigung nach unten abgleitet.

 

Nebenstehende Abbildungen 5 bis 7:

 HK-Helmschulterstütze als Einzel- bzw. Nachrüstteil, vollständig ein- und ausgefahren; in einsatzbereiter Position wird die Breite der Waffe nicht erhöht. Bei G36 und UMP bleibt unverändert die Magazinunterkante die am weitesten nach unten ausladende Kontur, so dass auch die Gesamthöhe der Waffe unverändert bleibt.

 

Nebenstehende Abbildungen 8 und 9: 

 Sog. „Taktische Helmschulterstütze“ von Heckler & Koch, verfügbar für G36[1] und Maschinenpistole UMP. Diese ist für kürzere Helmvisiere ausgelegt, ermöglicht jedoch in angeklapptem Zustand immer noch Entsichern und Betätigung des Abzugs. Zentraler Vorteil dieses Konzepts ist vor allem die Abdeckung der Nutzung von Helmkonfigurationen mit und ohne ballistischem Visier – dies wird realisiert durch die wahlweise aufsteckbare Wangenauflage und bietet darüber hinaus den logistischen wie einsatztaktischen Vorteil, dass lagebezogen nicht jeweils ein Kontingent an Waffen mit bzw. ohne Helmschulterstütze vorgehalten werden muss. Stattdessen ist nur ein Schulterstützentyp vorhanden und kann – praktisch als Gegenstück zu modular an den Helm adaptierbaren Helmvisieren – je nach Lage mit oder ohne Wangenauflage auf Nutzerebene konfiguriert werden. 
 


[1] Seit einigen Jahren bei polizeilichen Spezialkräften in Nutzung, u. a. bei der GSG9 in Verbindung mit dem Gewehr G36C.


Nebenstehnde Abbildung 10:

 

Aus dem Leben - MP7 eines deutschen Länder-SEKs mit Laser-Licht-Modul und relativ flach ausgelegter Helmschulterstütze eines ausländischen Zubehör-Herstellers. Das Photo zeigt das Grundproblem vieler flacher Helmschulterstützen, dass im angeklappten Zustand das Entsichern und die Betätigung des Abzugs praktisch nicht möglich sind. Gut zu erkennen ist auch die Visierlinienerhöhung für die Zieloptik.


[1] Der Autor ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schusswaffen, Schalldämpfer und Munition ab 1848 und bei der Heckler & Koch GmbH als Prokurist in den Funktionen Leiter Produktstrategie und Leiter Sonderaufgaben tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit berät er u. a. seit über 15 Jahren militärische und polizeiliche Spezialkräfte, zwischen 2003 und 2013 schwerpunktmäßig US Special Forces im Zusammenhang mit deren Anti-Terror-Einsätzen in Afghanistan und dem Irak. Im Zeitraum 2013 bis 2015 war er an der Konzeption der modularen Helmschulterstütze für das Gewehr G36 eines bekannten Spezialkräfte-Verbandes der deutschen Polizei maßgeblich beteiligt.

[2] Die Bezeichnung Calimero stammt von der gleichnamigen italienischen Zeichentrick-Figur einer japanischen TV-Serie, in welcher ein kleines, schwarzes Küken die Hauptrolle spielt, das als permanente Kopfbedeckung den Rest der Eierschale trägt, aus welcher es geschlüpft ist.

 

Bilder: 1-9: Heckler und Koch, Bild 10: Marc Roth, Heckler und Koch