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Frequenzen retten Leben

BDBOS Vizepräsident Frank Buddrus

In vier Phasen zum Breitbandfunknetz: Model von Bund, Ländern und BDBOS

Tablets und Smartphones gehören längst zum Alltag der Einsatz-, Sicherheits- und Rettungskräfte

Mit dem Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) steht den Einsatz-, Sicherheits- und Rettungskräften sowie der Bundeswehr deutschlandweit ein leistungsfähiges Werkzeug zur mobilen Sprachkommunikation zur Verfügung. Mobile Breitbandkommunikation ist inzwischen zwingend erforderlich geworden. Dafür braucht es zweierlei: eine eigene breitbandfähige Netzinfrastruktur und geeignete Frequenzen.

 

In Deutschland verfügen Feuerwehren, Polizeien der Länder und des Bundes, die Bundeswehr und Organisationen des Zivil- und Katastrophenschutzes wie das THW über ein gemeinsames einsatzkritisches Kommunikationsmittel: den Digitalfunk BOS. Die Vorteile des Systems: Die Einsatz-, Sicherheits- und Rettungskräfte besitzen ein eigenes, organisationsübergreifendes Funkmittel, das auf ihre speziellen Anforderungen zugeschnitten ist. Besonders hervorzuheben sind hierbei die hohe Verfügbarkeit und die Flächenabdeckung: Der Digitalfunk BOS deckt 99,2 Prozent der Fläche Deutschlands ab; die durchschnittliche Verfügbarkeit beträgt dabei mehr als 99,95 %.

 

Die Einführung des digitalen Funksystems wurde vor über 25 Jahren beschlossen – in der Zwischenzeit hat sich der Mobilfunk rasant weiterentwickelt. Und so wird für Einsatz-, Sicherheits- und Rettungskräfte zur Notwendigkeit, was im privaten Bereich längst zum Alltag gehört: Breitbanddatenkommunikation mithilfe von Smartphones und Tablets, die sie befähigt, relevante Informationen für ihre Einsätze ergänzend zum Sprechfunk zu beziehen und austauschen zu können. Die tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten sind überaus vielfältig. Dabei geht es nicht allein um einen Komfortgewinn. Eine sichere, flächendeckende, hochverfügbare, zukunftsfähige und mobile Breitbanddatenkommunikation ermöglicht eine schnelle Hilfe für alle Menschen, rettet Menschenleben und ist ein wichtiger Baustein zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit.

 

BOS können keine Kompromisse eingehen

 

Kommerziellen Mobilfunknetze, die teilweise bei den BOS im Rahmen der Breitbandkommunikation zum Einsatz kommen, können keine dauerhafte Lösung sein. Sie sind für die private Nutzung ausgelegt und entsprechen nicht den einsatzkritischen Anforderungen. Weder verfügen diese über die gleiche zeitliche Verfügbarkeit, noch über die notwendige Flächenabdeckung. Beides ist unabdingbar. Sowohl im Tagesgeschäft, als auch in Katastrophenlagen.  

 

Deswegen strebt die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) gemeinsam mit Bund und Länder an, als Weiterentwicklung des Digitalfunks BOS ein eigenbeherrschtes breitbandiges Funknetz aufzubauen. Wie dieses Breitbandnetz für die BOS Realität werden soll, beschreibt das Vier-Phasen-Modell, welches durch Bund, Länder und BDBOS entwickelt und von der Innenministerkonferenz beschlossen wurde.

 

In vier Schritten zum Breitbandnetz

 

Als vorgelagerte Stufe soll eine Phase 0 möglichst kurzfristig Roaming und zusätzliche Funktionalitäten über kommerzielle Mobilfunknetze ermöglichen. Da der Bund und viele Bundesländer bereits Einzelverträge mit Betreibern kommerzieller Mobilfunknetze abgeschlossen haben, sollen die Einzelverträge in dieser Phase zudem vereinheitlicht werden.

 

Dem schließt sich die Phase 1 an, in der ein eigenbeherrschtes Kernnetz errichtet wird. Dieses soll u.a. die eigene Verwaltung von Nutzern und Anwendungen ermöglichen und zusätzliche netznahe Dienste für die BOS des Bundes und der Länder bereitstellen. In dieser Phase werden wir die kommerziellen Funk- und Zugangsnetze durch Roaming in diesen Netzen nutzen.

 

Ein eigenbeherrschtes Funk- und Zugangsnetz wird schrittweise in Phase 2 aufgebaut.  Abgeschlossen wird dies in Phase 3. Sämtliche einsatzkritische Sprach- und Datenkommunikation der BOS sollen schließlich über das Breitbandnetz stattfinden; das TETRA-Netz kann in der Folge abgeschaltet werden.

 

Ein Projekt zur Vorbereitung

 

Aktuell erstellt ein Projektteam der BDBOS gemeinsam mit Bund und Ländern die Vergabeunterlagen für die Phase 0. Dabei werden die zwingend notwendigen Abhängigkeiten der Phase 1 berücksichtigt. Aus diesem Grund trägt das Projekt die Bezeichnung „Breitband BOS Phase 0-1“. Für die Phase 0 werden durch die BDBOS bis zu drei Rahmenverträge mit den Mobilfunknetzbetreibern für breitbandige Sprach- und Datenkommunikation der BOS mit Roaming, Bevorrechtigung und Priorisierung abgeschlossen. Diese Rahmenverträge der BDBOS ermöglichen Bund und Ländern eine BOS- und länderspezifische Wahl. Auf diesem Wege sollen die bisherigen Verträge der Länder auf einfache Art und Weise in die Rahmenverträge der BDBOS übergeleitet werden. Im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklungsphase wird in der Phase 1 ein selbstbetriebenes, eigenbeherrschtes breitbandiges Kernnetz mit den Vertragspartnern entwickelt. Die Vergabe für die Phase 0-1 soll bis Ende des Jahres 2022 weitestgehend abgeschlossen sein.

 

Frequenzbedarf von mindesten 60 MHz

 

Die Phasen 0 und 1 sind wichtige Bausteine für den Übergang. Zuerst der einheitliche Zugang zu den kommerziellen Mobilfunknetzen für alle Digitalfunkteilnehmenden, der den hohen einsatzkritischen Anforderungen der BOS entgegenkommt, darauf folgend der Aufbau einer Kernnetzinfrastruktur und dann die Ausrichtung auf ein eigenes Breitbandnetz der BOS. Gelingen kann das Vorhaben von Bund und Ländern, ein BOS-eigenes Breitbandfunknetz zu errichten, aber nur unter einer Bedingung: Wenn dafür ausreichend verfügbares Frequenzspektrum zur Verfügung steht.

 

Das Frequenzspektrum, das derzeit und noch bis Ende 2032 der einsatzkritischen Kommunikation der BOS gewidmet ist, wird vollständig für die Sprachkommunikation im Digitalfunk BOS benötigt. Die Übertragung von Breitbanddaten ist in diesem Frequenzbereich und mit den zur Verfügung stehenden Frequenzblöcken technisch nicht möglich.

 

Unabhängig davon reichen die bislang gewidmeten Frequenzen bei Weitem nicht aus, um die Bedarfe der BOS zu decken. 60 MHz – so viel Spektrum benötigen die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten und anderen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben mindestens. Diverse Studien belegen diesen Bedarf schon seit langem.

 

Nicht ohne „Goldstaub“

 

Spätestens in Phase 2, des von Bund und Ländern beschlossenen Phasenmodells, wird das Frequenzspektrum benötigt. Das Problem: Frequenzen sind eine äußert knappe Ressource, die für die drahtlose Datenübertragung in allen Bereichen unverzichtbar ist. Das macht Frequenzen zum „Goldstaub“ der Mobilfunkwelt.  Die nächste und vorerst einzige Möglichkeit, den Frequenzbedarf der BOS zu decken, bietet sich 2030. Dann endet die aktuelle Zuteilung der Frequenzen im UHF-Band im Bereich 470 – 694 MHz. Dieses Spektrum eignet sich aufgrund seiner physikalischen Ausbreitungseigenschaften hervorragend für die mobile Breitbandkommunikation.

 

Derzeit sind diese Frequenzen primär zur Nutzung für terrestrische Fernsehübertragung mittels des Standards DVB-T2 zugeteilt. Sekundär wird der Frequenzbereich außerdem für lokal eingesetzte Veranstaltungstechnik wie drahtlose Mikrofone und Kameras genutzt.

 

Die BDBOS fordert gemeinsam mit ihren Partnern in Bund und Ländern eine nationale Zuteilung von mindestens 60 MHz aus diesem Frequenzbereich. Damit das möglich wird, muss das Frequenzspektrum zunächst für die Mobilfunknutzung geöffnet werden. Dazu muss die Weltfunkkonferenz Ende 2023 eine grundlegende Widmungsergänzung beschließen. Die BDBOS setzt sich dafür aktiv im Rahmen der nationalen Vorbereitungsgruppe Weltfunkkonferenz 2023 im Arbeitskreis 6 ein.

 

Frequenzen retten Leben

 

Die Einsatz-, Sicherheits- und Rettungskräfte sind indes nicht die einzigen, die das UHF-Band 470 – 694 MHz im Blick haben. Rundfunk und Veranstaltungsbranche - als aktuelle Inhaber -, aber auch die kommerziellen Mobilfunkbetreiber kämpfen ihrerseits um die in Rede stehenden Frequenzen.

 

Die BDBOS sieht hierin jedoch keinen Widerspruch. Im Gegenteil: Unter Berücksichtigung der technischen Entwicklungen und der sich verändernden Gewohnheiten beim Medienkonsum ist es leicht möglich, den Frequenzbedarfen sowohl der Einsatz-, Sicherheits- und Rettungskräfte als auch des Rundfunks und der Veranstaltungsbranche Rechnung zu tragen. Mit einem kooperativen Ansatz können wir gemeinsam die tatsächlichen Bedarfe aller Parteien auf angemessene Weise decken – und den Interessen der Endanwenderinnen und -anwender gerecht werden.

 

Klar ist aber auch: Die Einsatz-, Sicherheits- und Rettungskräfte können auf die Frequenzen nicht verzichten. Denn für sie ist der Aufbau eines eigenen Breitbandnetzes zeitkritisch. Werden ihre Frequenzbedarfe nicht angemessen berücksichtigt, ist der Aufbau eines eigenbeherrschten Breitbandnetzes für die BOS auf absehbare Zeit de facto nicht möglich.

 

Nur so ist künftig eine zuverlässige Hilfe für alle Menschen möglich.

 

Frequenzen retten Leben!

 

Text: Frank Buddrus, Vizepräsident der BDBOS

 

Bilder: Bilder 1 und 2: BDBOS, Bild 3: Polizei Niedersachsen