Gewehre für den polizeilichen Anti-Terror-Einsatz

G27K

G27K mit HK269

G28 mit Wärmebildoptronik CNVD T3

G36C mit Helmschulterstütze

G38C - HK416A5

HK269

Von Marc Roth[1] Seit den Terror-Anschlägen „Paris I“ und „Paris II“ erfolgt europaweit eine Aufrüstung im Bereich der polizeilichen Handwaffen. Zunächst wurden polizeiliche Langwaffen, wie Maschinenpistolen und automatische Gewehre primär im Bereich der spezialisierten und Spezialkräfte beschafft. Neben Neu- und Nachbeschaffungen von Varianten der Sturmgewehre G36c und G36k, hielten in den Jahren 2015/16 vor allem auch Varianten der Heckler & Koch-Sturmgewehre G38 (HK416A5 und A6) und G27 (HK417A2) Einzug bei deutschen Polizeieinheiten. Seit 2016 ist nun auch bei regulären Polizeikräften ein verstärktes Interesse an der Ausrüstung mit Langwaffen klar erkennbar. Parallel zu den Nachbeschaffungen von MP5-Varianten, wurde nun in einem Bundesland die Maschinenpistole MP7 im neuen Kaliber 4.6mmx30 auch bei regulären Polizeikräften in großen Stückzahl eingeführt und damit die flächendeckende Ablösung der MP5 begonnen.[2]Militärische Szenarien als polizeiliche Lagen – Herstellung der Waffengleichheit mit dem Gegner als Teil der Fürsorgepflicht für den Beamten…? Ausgehend von der Erkenntnis, dass militärische Szenarien, welche aus Afghanistan, Irak und Syrien bekannt sind, durch Terror-Anschläge und Amok-Taten inzwischen Teil des polizeilichen Aufgabenspektrums geworden sind,[3] ist die punktuelle Ausrüstung regulärer polizeilicher Kräfte mit Gewehren für bestimmte Sonderlagen alternativlos. Neben ballistischen Westen höherer Schutzklassen ist gerade in Terrorlagen vor allem mit Kraftfahrzeugen als Transport- oder Tatmittel, sowie Gegner-Deckungen aller Art zu rechnen. Sofern hier mit dem jeweiligen Einsatzmittel nicht ausreichende Durchschlagsleistung mit entsprechender anschließender Energieabgabe kombiniert werden kann, werden die Täter unbeeinträchtigt weiteragieren und können somit in der Folge Personen verletzt oder getötet werden, obwohl dieses bei Vorhandensein der erforderlichen, schwereren Handwaffen hätte vermieden werden können. Da bei den Terror-Anschlägen, welche mit Handwaffen durchgeführt wurden, fast immer Varianten des Kalaschnikow-Sturmgewehres im Mittelkaliber 7.62mmx39 im Einsatz waren, ist die Ausstattung mit Gewehren für die eigenen Kräfte zur Herstellung der „Waffengleichheit“ bzw. „Waffenüberlegenheit“ bzgl. Einsatzreichweite, Energieabgabe und Durchschlagsleistung die logische Konsequenz. Es besteht unter Experten Einigkeit, dass die Ausrüstung mit modernen Polizei- und Maschinenpistolen als Standardbewaffnung der regulären Polizei eine sinnvolle bzw. zwingend erforderliche Maßnahme darstellt, für Sonderlagen jedoch auch die Verfügbarkeit von Gewehren für reguläre Kräfte unausweichlich ist.  5.56mm- und 7.62mm-Gewehre in der deutschen Polizei - „Status quo“ und „Quo vadis?“ Bis heute sind im Kaliber 7.62mmx51 NATO die Gewehre G1[4] und G3[5] in relativ geringen Stückzahlen bei der regulären Polizei im Einsatz. Während die BPol als Nachfolger des Bundesgrenzschutzes primär das G1 im Einsatz hat, nutzen die übrigen Bundes- und Länderpolizeien im Bereich der regulären Kräfte fast ausschließlich das G3. Beide Gewehrmodelle wurden in den 1950er Jahren bei BGS bzw. Bundeswehr eingeführt und weisen somit eine Gesamtnutzungsdauer von rund 60 Jahren auf. Das G3 führt in der regulären Polizei auch eher ein stiefmütterliches Dasein, quasi als „notwendiges Übel“ für das bisher einzig polizeipraxisrelevante Einsatzszenario für ein Gewehr im Kaliber 7.62mmx51: Tötung entlaufenen Schlachtviehs. Entsprechend ist leider häufig der „Erhaltungszustand“ der Gewehre eher „überschaubar“; Deformationsmunition, wie sie bspw. für die Polizei-Pistolenpatrone 9mmx19 seit Jahren existiert, ist für die alten G1 und G3 oft nicht vorhanden. Daher muss dann – sofern nicht wenigstens Jagdmunition für die Viehtötung beschafft wird – auf militärische Munition mit Vollmantel-Weichkern-Geschossen und entsprechend hohem Risiko der Überpenetration bzw. Umfeldgefährdung zurückgegriffen werden. Moderne kurzläufige Sturmgewehre, wie das G27k, finden sich seit kurzem ausschließlich bei spezialisierten und Spezialkräften. Im Kaliberbereich 5.56mmx45 NATO wurden gerade infolge der Schul-Amoktaten ab 2002 vermehrt entsprechend modernere Gewehre auch für reguläre Polizeikräfte beschafft. Am weitesten verbreitet ist bei deutschen Polizeikräften das G36, in den kürzeren Versionen G36k und G36c. In den letzten Jahren wurde bei einigen Spezialkräften auch das G38 (HK416A5 und A6[6]) mit kurzen Rohren eingeführt.  Die Masse der modernen 5.56mm- und 7.62mm-Gewehre ist naturgemäß bei den spezialisierten (MEK/BFE+) und Spezialkräften (SEK/GSG9/ZuZ) des Bundes- und der Länder, sowie den Personenschutzkräften Ausland (PSA) der BPol im Einsatz. Abgesehen von halbautomatischen Präzisionsgewehren im Kaliber 7.62mmx51 handelt es sich bei den polizeilichen Gewehren fast ausschließlich um solche Versionen mit kurzen bzw. mittleren Rohrlängen, meist auch mit Klappschaft oder einschiebbarer Schulterstütze, da dies für den Transport im Fahrzeug und den Einsatz in Gebäuden unvermeidbare Anforderungen sind. Systemansatz als Kernelement polizeilicher Langwaffenkonzeptionen Ein polizeiliches Gewehrsystem sollte vor allem folgende aufeinander abgestimmte Systemkomponenten umfassen: -          Waffenfamilie, identischer/ähnlicher Bedien- und Zerlege-Drill bei Gewehren verschiedener Rohrlängen und im Idealfall auch kaliberübergreifend; sowie Werfermodul 40mmx46 LV -          Aufsätze zur Reduzierung der akustischen und optischen Signatur für Ausbildung und Einsatz[7] -          Polizeiliche Sondermunition 5.56mm/7.62mm: Präzision, Deformation, Hartkern (AP) und Leuchtspur[8] -          Werfermunition 40mm für polizeiliche Zwecke: NLW-, Reizstoff-, Leucht-, Markierungs-, Spreng-Splitter- und Spreng-Splitter-Mehrzweck-Patronen -          Tagsicht-Optiken -          Nachtsicht-/Wärmebildoptroniken -          Laser-Licht-Module -          Sonstiges Zubehör (taktische Trageriemen etc.) Bzgl. des 40mm-Anbaugerätes wurde der Systemansatz dahingehend realisiert, dass das HK269 ohne Umbauten oder spezielle Adapter in Sekunden an alle aktuellen Heckler & Koch-Gewehre montiert werden kann; dies sind die Modelle G36, G38 (HK416A5/A6) und G27 (HK417A2). Ballistische Helm-Visiere und Atemschutzmasken – besondere ergonomische Herausforderungen für polizeiliche Langwaffen Helm-Visiere und Schutzmasken sind bei Spezialkräften längst fester Bestandteil der Ausrüstung. Inzwischen ist absehbar, dass sich diese Schutzoptionen auch bei regulären Kräften durchsetzen werden[9] und somit die Handwaffensysteme hierfür ausgelegt sein müssen. Konkret sollten die Langwaffen über sog. Helmschulterstützen verfügen, welche durch ihre charakteristisch nach unten geschwungene Form verhindern, dass die Unterkante des Helmvisiers auf der Schulterstütze aufsteht. In der Folge wird nämlich sonst entweder die Zielerfassung unmöglich gemacht, weil der Beamte mit dem Auge die Visierlinie nicht mehr erreichen kann oder das aufstehende Helmvisier den Helm derart nach oben bzw in den Nacken des Trägers schiebt, dass die Kinn-Beriemung unerträglichen Zug am Kopf erzeugt; zumindest besteht aber die Gefahr, dass gerade der Hals-/Kinnbereich des Beamten nicht mehr durch das hochgeschobene Helmvisier geschützt wird. Genau dieses Szenario hatte bei einem jüngeren Einsatz polizeilicher Spezialkräfte einen lebensgefährlichen Halsschuss durch einen Straftäter zur Folge. Insbesondere die Maschinenpistole MP7 und alle Varianten des Gewehres G36 können mit einer sog. Helmschulterstütze ausgestattet werden. Die Waffenfamilie G38 (HK416) und G27 (HK417) verfügt konstruktionsbedingt über einen durchgehenden Schulterstützentubus, welcher wegen der darin laufenden Verschlusskomponenten nicht nach unten versetzt werden kann. Daher ist diese Waffenfamilie vor allem für Helmvisiere geringer Höhe geeignet. Polizeiliche Gewehrmunition – Systemverträglichkeit – fehlende „Technische Richtlinien“ Für die Polizeipistolenpatrone 9mmx19, sowie den bei regulären Polizeikräften eingeführten Pistolen sind über Jahrzehnte kontinuierlich weiterentwickelte polizeispezifische „Technische Richtlinien“ vorhanden; parallel wird auch die Systemverträglichkeit der TR-Munition mit der Maschinenpistole MP5 gewährleistet.  Für polizeilich genutzte Gewehre in den Kalibern 5.56mm NATO und 7.62mm NATO existieren derzeit weder waffen- noch munitionsseitig derartige „Technische Richtlinien“. Bei der Beschaffung von Polizeigewehren sollte daher stets auch die Systemverträglichkeit der Waffe in Verbindung mit den gewünschten Munitionssorten abgeprüft werden. Die gilt umso mehr, als dass im polizeilichen Bereich nur selten NATO-standardisierte Munition[10] verwendet wird, sondern zahlreiche Sondermunitionen, wie Deformations- und Präzisionspatronen, welche nur in Ausnahmefällen militärisch in Automatwaffen qualifiziert wurden.  Viele in Deutschland bisher bei Spezialkräften eingesetzte Munitionssorten für Gewehre entsprechen daher lediglich nach den zivilen CIP- oder US-SAAMI-Standards geprüft worden. Problematisch ist hierbei, dass CIP und SAAMI praktisch nur die geometrische Ladefähigkeit der Patrone im Patronenlager und die Einhaltung der Gasdruckwerte abprüfen. Die Funktionsfähigkeit in Automatwaffen[11] und Klimastabilität sind - im Gegensatz zu den NATO-Standards - leider kein Prüfkriterium. Somit entsteht in der Praxis häufig das Problem, dass zivile Jagd- und Sportmunition alleine wegen ihrer speziellen Geschosse beschafft wird und dann in den Automatwaffen Funktionsprobleme entstehen. Waffenseitig sollten daher nur Modelle gewählt werden, welche auf NATO-Munition abgestimmt sind. Auf dieser funktionalen Basis können dann Technische Lieferbedingungen für die polizeilichen Sondermunitionen erstellt und in Verbindung mit der jeweils genutzten Waffe entsprechende Abnahmeprüfungen beim Munitionshersteller durchgeführt werden, wie dies bei Polizei-Pistolenmunition und im militärischen Bereich ebenfalls üblich ist.  Die Polizeigewehre G36, G38 (HK416A5/A6), G27 (HK417A2) und G28 in den Kalibern 5.56mm NATO und 7.62mm NATO Inzwischen sind alle vier Gewehrmodelle bei deutschen Polizei-Einheiten eingeführt; im Fall des G36 inzwischen seit rund 20 Jahren. G38 und G28 sind bei den Spezialkräften der Bundeszollverwaltung (ZUZ) eingeführt, G38 und G27 auch bei einer großen Länderpolizei. Das G27k ist zusammen mit dem G28 bei einer polizeilichen Spezialeinheit des Bundes im Einsatz. Bei allen Waffen handelt es sich um sog. indirekte Gasdrucklader mit Impulsstangen-Antrieb[12] in Verbindung mit einem Drehkopf-Warzenverschluss. Die Gewehre weißen ein gehärtetes und verchromtes Rohr auf, es können alle Munitionssorten der Bundeswehr in beiden Kalibern verschossen werden. Alle Gewehre sind auch als reine Halbautomaten-Varianten verfügbar, sind auf NATO-Munition abgestimmt und bestehen die NATO-Geschossvorlagenprüfung nach AC225/D14; beim G36 besteht Systemverträglichkeit mit den meisten Polizei-Munitionstypen deutscher Hersteller, insbesondere der Fa. RUAG. G38 (11“-Rohrlänge) und G27 (16.5“-Rohrlänge) wurden 2016 bei einer großen deutschen Länderpolizei eingeführt; hierbei wurde durch den Hersteller die Systemverträglichkeit insbesondere für die RUAG-Polizeipatronen Styx Action, Final und AP (Hartkern) attestiert; weiterhin besteht beim G27 Systemverträglichkeit mit der Bundeswehr-Hartkernpatrone DM151 der Fa. MEN. Das G28-Präzisionsgewehr kann in Verbindung mit der RUAG-Polizei-Präzisionspatrone Swiss P Target 10,7g/168gr HPBT genutzt werden. G38, G27 und G28 verfügen serienmäßig über eine mechanische Schlagbolzen- bzw. Fallsicherung, auch beim G36 ist dies gerade wegen der im Polizeibereich teilweise verwendeten Zivilmunition mit weichen Zündhütchen sinnvoll und daher als Ausstattungsoption verfügbar.  Für den Einsatz in Verbindung mit Mündungssignatur-Dämpfern sind G38, G27 und G28 mit manuellen Gasverstellungen ausgestattet, welche die Stellungen N=Normalbetrieb (ohne Mündungsaufsatz) und S=Signaturdämpfer-Betrieb aufweisen.  Aus physikalischen Gründen kommt es – hersteller- und modellunabhängig – beim Einsatz von dämpfenden Mündungsaufsätzen aufgrund des massiven Gasrückstaus zu einer Mehrverschmutzung der Waffen, vor allem auch im Gehäuse- und Verschlussbereich. Daher verkürzen sich die Reinigungs- und Schmierintervalle. Signaturdämpfer als Arbeitsschutz- und Einsatz-Mittel Da nach den einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften primär die Lärmquellen selbst zu dämmen sind, rücken Signaturdämpfer zwangsläufig auch im Polizeibereich immer mehr in den Fokus von Handwaffenkonzeptionen. Auch wenn diese in der Regel Waffengewicht und Schwerpunkt erhöhen bzw. nach vorn verlagern, sind geräuschreduzierende Mündungsaufsätze letztlich aus arbeitsschutzrechtlichen wie einsatztaktischen Gründen mittel- und langfristig alternativlos. Die Erfahrungen der letzten 15 Jahre haben vor allem bei den Einsätzen von Spezialkräften in Afghanistan, Irak und Syrien gezeigt, dass Signaturdämpfer aus vielen Gründen in Zukunft unverzichtbarer Bestandteil von Handwaffen-Konzeptionen sein werden. Interessant ist hierbei das „Ranking“ der Gründe, wegen derer Spezialkräfte Schalldämpfer nutzen: 1.)    Eigensicherung durch Verhinderung der gegnerischen optischen Aufklärung: Verbergen der eigenen optischen Mündungssignatur (Mündungsflamme) im Feuerkampf. 2.)    Eigensicherung durch Vermeidung von „Friendly Fire“: da der Gegner in der Regel keine Signaturdämpfer nutzt, wird gerade bei unübersichtlichen Lagen die Lokalisierung der Positionen eigener und gegnerischer Kräfte erheblich vereinfacht -> lauter Knall und Mündungsflamme: vermutlich Gegner oder eigene reguläre Kräfte (mit Pistole oder MP5), gedämpfter Knall und keine/geringe Mündungsflamme: mit großer Wahrscheinlichkeit eigene Kräfte. Auch eigene Kräfte (ohne Dämpfer) können so unter Umständen zivil operierende Polizeikräfte mit Gewehren leichter von terroristischen Angreifern unterscheiden.[13] 3.)    Eigensicherung durch Aufrechterhaltung der verbalen Kommunikation mit eigenen Kräften in Rufweite: ohne Signaturdämpfer tritt nach wenigen Schüssen eine zumindest temporäre Teilvertaubung der Schützen und umstehender Personen ein. In der Folge ist eine Kommunikation nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich; auch das Risiko eventuell lebensgefährlicher Fehlentscheidungen während des Feuerkampfes aufgrund von Missverständnissen oder Nichthören wichtiger Anweisungen/Informationen durch eigene Kräfte steigt massiv. 4.)    Eigensicherung durch Verhinderung der gegnerischen akustischen Aufklärung: Reduzierung der eigenen akustischen Mündungssignatur (Mündungsknall) im Feuerkampf. 5.)    Gesundheitsschutz: Dämpfer als „waffenseitiger Gehörschutz“ für Ausbildung und Einsatz; in den vergangen 20 Jahren hat der Anteil von Training im scharfen Schuss massiv zugenommen. Dies ist auch polizeilich in den nächsten Jahren realistisch zu erwarten. Gerade beim Abfeuern von kurzläufigen Gewehren entsteht deutlich größere Schallbelastung als bei den früher üblichen großen Rohrlängen. Diese wird in Räumen durch Schallreflektion noch weiter erhöht.[14]Polizeiliche Anwendung der Patrone 7.62mm NATO – für Sonderlagen zwingend erforderlich… Da die Beschaffung von Sprengstoffen und deren Zutaten in den vergangenen Jahren gerade in West-Europa rechtlich wie tatsächlich massiv erschwert wurde, sind sich Experten einig, dass Fahrzeuge jeder Größe aufgrund ihrer einfachen Verfügbarkeit und unauffälligen Verlegungsmöglichkeit zum Anschlagsort als Tatmittel für Terroristen zunehmend attraktiver werden. Dies bestätigt nach dem Vorfall „Nizza“ auch der jüngste Terror-Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt vom 19.12.2016, sowie der von Jerusalem vom 08.01.2017. In diesem Zusammenhang ist von sog. Checkpoint-Lagen und anderen Attentaten mit PKWs während der Einsätze in Afghanistan, Irak, aber auch Israel außerdem bekannt, dass die dort verwendeten Anschlagsfahrzeuge - von außen oft nicht erkennbar - teilweise mit behelfsmäßigen Panzerungen, z.B. eingeschweißten oder mittels Draht befestigten Stahlplatten im Bereich der Türen und des Motorraums, versehen werden. Im „worst case“ können mehrere Fahrzeuge gleichzeitig angreifen. Schüsse in den Motorblock mit Hartkernmunition im Kaliber 7.62mm NATO bieten dann die größten Erfolgsaussichten das Fahrzeug zu stoppen; als einzig gängige Standardmunition durchdringt diese selbst mit Weichkern- und polizeilichen Deformationsgeschossen auch zuverlässig Windschutzscheiben mit geringster Winkelablenkung und Geschossmasseverlust, sowie ausreichender Restenergie, so dass auch der Fahrer und weitere Täter noch vor Verlassen des Fahrzeugs neutralisiert werden können. Sofern nicht verhindert werden kann, dass Täter das Attentats-Fahrzeug verlassen, können diese anschließend mit dem Kaliber 7.62mmx51 bei geringer Umfeldgefährdung mit polizeilicher Deformationsmunition bekämpft werden, selbst wenn die Täter ballistische Westen höherer Schutzklassen tragen, welche mit Kalibern bis 5.56mmx45 nicht durchdrungen werden können. Fazit Bei nahezu allen jüngeren terroristischen Anschlägen wurden Kalaschnikow-Gewehre im Kaliber 7.62mmx39 eingesetzt. Fahrzeuge spielten hierbei als Transportmittel immer eine Rolle; zukünftig muss damit gerechnet werden, dass diese auch als Tatmittel an Bedeutung gewinnen, ebenso, dass Terroristen zukünftig Schutzwesten tragen werden, welche insbesondere die 9mm- und 5.56mm-Projektile aufhalten. Eine Ausstattung regulärer Polizeikräfte mit Gewehren in den Kalibern 5.56mm und 7.62mm NATO erscheint daher zwecks Herstellung der „Waffengleichheit“ alternativlos. Ballistische Überlegenheit kann letztlich jedoch nur mit kurzläufigen Gewehren wie dem G27k im Kaliber 7.62mm NATO herbeigeführt werden: mit einer Mündungsenergie von ca. 2.500 Joule leistet sie erheblich mehr als die Kalaschnikow, durschlägt auch mit Deformationsmunition zuverlässig Fahrzeugtüren, Windschutzscheiben und mit Hartkernmunition sogar improvisierte leichte Panzerungen.                                

 

Waffe

 

P30/SFP9

 

MP5

 

MP7

 

G36c

 

G36k

 

Kalaschnikow

 

G27k

 

Kaliber

 

9mmx19

 

TR

 

9mmx19

 

TR

 

4.6mmx30

 

HK

 

5.56mmx45

 

NATO

 

5.56mmx45

 

NATO

 

7.62mmx39

 

M43

 

7.62mmx51

 

NATO

 

Mündungs-energie

 

Ca. 520J

 

Ca. 600J

 

Ca. 500J

 

Ca. 1.050J

 

Ca. 1.450 J

 

Ca. 2.000 J

 

Ca. 2.500 J

Vor allem aber würde die polizeiliche Präsenz mit 7.62mm-Gewehren terroristische Angreifer dazu zwingen, schwere Schutzwesten (in der Regel mit Keramik-Schutzplatten) zu tragen – dies würde gleichzeitig deren Beweglichkeit, Durchhaltefähigkeit und Fluchtgeschwindigkeit zu Fuß erheblich reduzieren und so die Chancen einer Festnahme oder Neutralisierung deutlich erhöhen. Die Schaffung von „Technischen Richtlinien“ (TR) für Polizeigewehre und –munition nach dem Vorbild der TR Polizei-Pistolenpatrone 9mmx19 und Polizeipistole 9mmx19 wäre eine zielführende Maßnahme.

 


[1] Der Autor ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für militärische und polizeiliche tragbare Schusswaffen und Munition ab 1945 und als Prokurist in den Funktionen Leiter Produktstrategie und Leiter Sonderaufgaben der Heckler & Koch GmbH tätig. In dieser Funktion berät er u. a. seit rund 15 Jahren militärische und polizeiliche Spezialkräfte, zwischen 2003 und 2013 schwerpunktmäßig US Special Forces im Zusammenhang mit deren Anti-Terror-Einsätzen in Afghanistan und dem Irak. Außerdem war er in Jahren 2002 bis 2004 Projektleiter für die MP7, sowie 2004/2005 Projektleiter für das Gewehr G27 (HK417).  [2] Vgl. Beitrag in „Polizeipraxis“, Ausgabe 2/2016, Seiten 16 bis 24, „Die Nahbereichswaffe MP7“ [3] Vgl. Beitrag in „Polizeipraxis“, Ausgabe 2/2016, Seite 16, „Die Nahbereichswaffe MP7“ [4] Früheres Standardgewehr des Bundesgrenzschutzes (BGS, heute BPol), eingeführt Anfang der 1950er Jahre. Später erstes Standardgewehr der Bundeswehr, 1958 abgelöst durch das Gewehr G3. Kommerzielle Bezeichnung des G1 lautet FAL; Hersteller: Firma Farbrique Nationale/Belgien. [5] Bundeswehr-Standardgewehr von 1958 bis 1996; dort bis heute vor allem bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr als halbautomatisches Präzisionsgewehr in der Variante G3A3ZF-DMR (Designated Marksman Rifle) seit 2011 im Einsatz, außerdem als „schweres Sturmgewehr“; Hersteller: Heckler & Koch. [6] Die A5-Version weist das leichtere Standard-Sturmgewehr-Rohr auf, während die A6 die schwere Außengeometrie des kommerziellen Gewehres MR223 aufweist. Die A6 zeigt daher insbesondere beim sog. Doppelschuss ein noch moderateres Rückstoßverhalten und kann so nach dem ersten Schuss noch besser im Ziel gehalten werden, so dass der Zweitschuss noch schneller und präziser erfolgen kann. [7] Nicht erforderlich für 40mm-Werfermodul [8] Munitionsseitig erscheint der Einsatz von Leuchtspurmunition zur non-verbalen Zielmarkierung und als optische Ladestandsanzeige für den Schützen auch polizeilich sinnvoll. Seit den schweren Gefechten deutscher Infanterie-Kräfte in Afghanistan ist bekannt, dass diese häufig die letzten 1-5 Schuss im Magazin Leuchtspurmunition laden, um im Gefechtsstress immer eine zuverlässige Anzeige zum Füllstand des Magazins zu haben: sobald sie beim Schießen Leuchtspur aus der eigenen Waffe sehen, wissen sie, dass ein (ggfs. taktischer) Magazinwechsel durchgeführt werden muss. So kann das Risiko massiv reduziert werden, dass in kritischen Momenten die Waffe leergeschossen ist. Diese Erwägungen sind auf reguläre Polizeikräfte, der im Hochstress-Szenario „Terrorlage“ den Feuerkampf führen müssen, ohne Einschränkung übertragbar. [9] Derzeit fokussieren die Ausrüstungskonzeptionen primär auf ballistische Helmvisiere; es ist jedoch absehbar, das bald zusätzlich Schutzmasken als Bestandteil der fahrzeugbasierten „First Response Kits“ diskutiert werden. Sofern Gegner bspw. nach einem Sprengstoffanschlag in einem Objekt voller Rauch und Qualm festgenommen oder bekämpft werden müssen, ist eine Atemschutzmaske zwingend erforderlich. Allerdings besteht das allgemeine Problem, dass die zahlreichen zusätzlichen Ausrüstungsgegenstände nicht nur einen massiven Ausbildungsmehraufwand zu Folge haben, sondern vor allem der Stauraum in den Einsatzfahrzeugen längst nicht mehr ausreicht um alle ergänzenden Ausrüstungsgegenstände mitzuführen. [10] Mit Vollmantel-Weichkern- oder Vollmantel-Doppelkern-Geschossen. [11] Hierfür existieren militärisch sog. „Port Pressure“-Vorgaben, welche den für den Waffenantrieb von Automatwaffen notwendigen Gasdruck mittels spezieller Gasdruck-Messrohre abprüfen. [12] Sog. „Pusher rod“, welcher im Vergleich zu direkten Gasumleitungssystemen (sog. „Direct gas impengion“) geringsten Reinigungs- und Schmieraufwand erfordert.  [13] Derzeit besteht eine der Hauptsorgen zivil operierender polizeilicher Kräfte darin, in den meist komplexen und unübersichtlichen Terror- und Amoklagen aufgrund von Fehlidentifizierung durch eigene Kräfte beschossen zu werden (sog. „Friendly Fire“), weil Kollegen sie im Extremstress leicht mit Terroristen verwechseln könnten. [14] Bereits vor Jahren war der Hauptausmusterungsgrund in den israelischen Streitkräften irreparabler Gehörschaden infolge Knallbelastung. Neben beamtenrechtlichen Fürsorgeaspekten liegt auch die „Unwirtschaftlichkeit“ solcher Personalverluste auf der Hand: nach jahrelanger kostenintensiver Ausbildung geht so (häufig auch einsatzerfahrenes) Personal vermeidbar und praktisch „ohne Gegnereinwirkung“ für immer verloren – im anglo-amerikanischen Sprachraum nennt man derart bedingte Personalverluste daher auch „Peacetime victims“.