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Neue interaktive Funkstreifenwagen: Vielversprechendes Pilotprojekt in Brandenburg

Bild: fotolia

Polizeidirektor Udo Antonicek

Weitere Bilder: Zentraldienst der Polizei des Landes Brandenburg

 

Mit dem gepanzerten Multifunktions­flitzer von James Bond kann er nicht mithalten, aber für den täglichen Ein­satz von Streifenpolizisten ist es ein Quantensprung: der interaktive Funk­streifenwagen. 

 

Der Auftrag

Wie kann man die Einsatzwagen der Polizei mit moderner Informationstechnologie ver­bessern? Das wollte das Innenministerium von Brandenburg im Jahr 2006 wissen. Antworten darauf liefert jetzt das „Projekt interaktiver Funkstreifenwagen“ (PiAF) des Zentraldienstes der Polizei Brandenburg. 

 

Robuste Technik: Der Multi-PC an Bord des Streifenwagens muss besonders robust sein, um den rauen Betriebsbedingungen standzuhalten. Deshalb hat er zum Beispiel einen erweiterten Betriebstemperaturbe­reich von -40 Grad bis +85 Grad. Das Gerät hält auch Vibrationen oder Erschütterungen Stand, die etwa bei einer Verfolgungsfahrt entstehen. 

 

Weil die damalige Hard- und Software nicht dazu geeignet war, in die bestehende In­formationstechnologie der Polizei integriert zu werden, erarbeitete die T-Systems In­ternational GmbH als Generalunternehmer ab 2009 eine neue Lösung. Sie schuf den interaktiven Funkstreifenwagen und das einzige integrierte IT-System bei der Polizei in ganz Deutschland. 

 

GPS-Tracking, Kameras und Vernetzung 

Die Entwicklungsphase endete im Herbst 2012 und in Brandenburg startete die Erprobung des Systems. „Seit September 2012 sind 30 VW-Transporter mit der neuen Technik ausgestattet und wurden bis Mitte 2013 im laufenden Betrieb getestet“, sagt Udo Antonicek, Polizeidirektor und PiaF- Projektleiter beim Zentraldienst der Polizei Brandenburg. Die Fahrzeuge der Polizei wurden in Abstimmung mit der Auto-Indus­trie (VW und Mercedes) mit einem fest im Armaturenbrett installierten Multi-PC aus­gestattet, der mit Touchscreen bedient wird und auch als Navigationsgerät eingesetzt werden kann. Zudem gibt es einen Laptop zur Erledigung von Verwaltungsarbeit und Nutzung von Fahndungsdateien zur Re­cherche im Polizeinetzwerk im Auto. 

 

Ein Drucker und ein Scanner sind installiert und die Funkstreifenwagen verfügen über einen GPS-Empfänger, mit dem sie geortet werden können, sowie über je zwei Kameras. 

 

Navigation und GPS-Tracking 

IT-Spezialist Thomas Haase verantwortet das Projekt interaktiver Funkstreifenwagen auf technischer Seite bei der tarent solu­tions GmbH. Er erklärt die Elemente des neuen Navigationssystems: „Die Grund­funktionen wurden um spezielle polizeili­che Komponenten erweitert. Zum Beispiel können POI (Points of Interest) angelegt werden, das sind Orte mit polizeitaktischer Bedeutung, wie Banken, Schutzobjekte oder Unfallschwerpunkte.“ Bereits über 300 Fahrzeuge des Wach- und Wechseldiens­tes sind zudem mit GPS-Trackern ausge­stattet worden. Damit tauchen ihre genauen Standorte jetzt im Leitstellensystem und in der Navigationskarte auf. 

 

Jetzt kann das Fahrzeug eingesetzt werden, das dem Einsatzort am nächsten ist. Vorher war das anders, erklärt Udo Antonicek: „Es war bundesweit so geregelt, dass man sein Land in Streifenbezirke einteilt und diesen Bezirken sind Funkstreifenwagen fest zuge­wiesen. Im Einsatzfall spricht die Leitstelle das Fahrzeug an, das für diesen Bereich zu­ständig ist – unabhängig davon, wo es sich gerade befindet.“ Es konnte also passieren, dass derjenige den Auftrag erhält, der 30 Kilometer vom Einsatzort entfernt ist, ob­wohl ein Fahrzeug im angrenzen Streifenbe­zirk nur zwei Kilometer vom Einsatzort weg ist – aber nicht für diesen Bereich zuständig ist. Mit der GPS-Ortung kann nicht nur die Einsatztaktik optimiert werden. Ein weiterer Vorteil ist die Sicherheit der Polizisten: Wird zum Beispiel eine Funkstreife überfallen und die Beamten melden sich nicht, weiß die Leitstelle genau, wo das Fahrzeug steht. Es muss also nicht lange gesucht werden.

 

Die interaktiven Funkstreifenwagen sind mit Front- und Heck-Videokameras ausgestat­tet. 

 

Das dient nicht nur der Beweissicherung, sondern vor allem der Sicherheit der Poli­zisten. Wenn ein Fahrzeug von der Polizei zur Überprüfung angehalten wird, startet die Videoaufnahme. Das ist für jeden gut sichtbar an einem Signallämpchen.

Sehen potenzielle Gewalttäter, dass sie gefilmt werden, könnte sie das von Über­griffen auf die Polizisten zurückhalten. Attacken hat es bei Verkehrskontrollen in Brandenburg immer wieder gegeben. „Bei Alkoholkontrollen gibt es häufig Aggressio­nen, denn es geht um die Existenz, vielleicht verliert derjenige seinen Führerschein“, sagt Udo Antonicek.

 

Videokameras 

Aber auch falsche Beschuldigungen kön­nen mit den Kameras aufgedeckt werden: „Wir hatten mal einen Fall, da hat ein kont­rollierter LKW-Fahrer behauptet, er sei aus dem Fahrzeug gezerrt worden. Mit dem Video konnte bewiesen werden, dass es nicht so war.“ Die meisten Kontrollen ver­laufen allerdings völlig problemfrei, sodass die Videoaufzeichnungen gelöscht werden können.

 

Mobiles Büro 

Polizeibeamte müssen auch Bürotätigkei­ten erledigen, zum Beispiel Berichte oder Protokolle schreiben. Im Rahmen des „Projekts interaktiver Funkstreifenwagen“ sind die Beamten im Auto mit Laptops ausgestattet. Über eine verschlüsselte Verbindung zum IT-System der Polizei kann ein Großteil der Vorgangsbearbei­tung direkt im Fahrzeug gemacht werden. Die Daten werden also zeitnah im System gespeichert. „Wir sind ein Flächenland. Wenn man da in ein kleines Dorf fährt und 40 Kilometer von der Dienst­stelle entfernt eine Anzeige wegen Sachbeschädigung aufnimmt, dann kann man jetzt vor Ort die Personalda­ten und den Straftatbestand am Computer eingeben und es direkt im Fahrzeug für den Bürger ausdrucken zur Vor­lage bei der Versicherung“, sagt Udo Antonicek.

 

Auf der Autobahn sind 15 dieser technisch aufgerüsteten Fahrzeuge im Einsatz sowie 25 weitere in den Polizeiinspektionen Bran­denburgs. Weil viel Schreibarbeit im Auto erledigt werden kann, entfallen Fahrten zur Wache – und somit Standzeit der Autos in den Wachen. Weil die Streifenwagen da­durch mehr in der Öffentlichkeit unterwegs sind, steigt die subjektive und objektive Sicherheit: Sind Polizeiwagen in der Nähe, fühlt man sich nicht nur sicherer, sondern es geschehen auch nachweislich weniger Delikte. 

 

Technik von morgen 

Auch wenn die neue Computertechnik in den Fahrzeugen der Polizei einige Abläufe und Organisationsstrukturen sehr verändert hat, kommen die „interaktiven Funkstreifen­wagen“ bei den Beamten gut an. Im Einsatz im Streifendienst, als Gruppenfahrzeug zum Transport für Einheiten oder als Befehlsfahr­zeug bei Sondereinsätzen haben sie sich bereits bewährt, auch Hard- und Software sind stabil, freut sich Udo Antonicek, PiaF-Projektleiter beim Zentraldienst der Polizei Brandenburg. Eine Weiterentwicklung einer Kompaktversion für die Pkw-Klasse liegt seit Januar 2014 als Prototyp vor und wird, im Ergebnis einer positiven Labortestphase und Qualitätssicherung durch den Bereich IT des Zentraldienstes der Polizei, aktuell in vier Funkstreifenwagen zur Echtbetriebserprobung im Strei­fendienst verbaut. Die softwaresei­tige Integration zur Steuerung der Komponenten Digitalfunk und Sondersi­gnalanlage erfolgt im II. Quartal 2014 und vervollständigt somit die Interoperabilität aller polizeilichen und fahrzeugseitigen Technologien in einer Einheit. 

 

Hierbei wurden ebenso die bundesweit abgestimmte „Technische Richtlinie Funk­streifenwagen“ sowie angestrebte Entwick­lungen (Integration eines Sonderfahr­zeugnetzwerkes in Einsatzfahrzeugen der Polizei) seitens der Fahrzeugindus­trie einbezogen. „Die Einführung in­teraktiver Funkstrei­fenwagen ist sowie­so Bestandteil der Polizeireform 2020 des Landes Bran­denburg“, erklärt Udo Antonicek. Zwar wird der be­stehende Fuhrpark nicht nachgerüstet werden, aber neu angeschaffte Fahr­zeuge könnten ab 2015 standardmä­ßig mit interaktiver Technik ausgestat­tet werden. R. K.